Vancouver – Bakterien bilden eine der drei Domänen des Lebens und besiedeln die Erde seit annähernd vier Milliarden Jahren. Etwa 30.000 Spezies von Bakterien wurden offiziell klassifiziert – wie viele es tatsächlich gibt, dafür ist selbst das Wort "Schätzung" noch geschmeichelt: Es könnten Milliarden sein, doch niemand weiß es auch nur annähernd. Forscher der University of British Columbia sprechen in ihrer jüngsten Studie vorsichtig von "Entwicklungslinien" statt Spezies und nennen eine Größenordnung von 1,4 bis 1,9 Millionen.

Das kanadisch-US-amerikanische Team um Stilianos Louca ging der Frage nach, wie sich diese Vielfalt im Verlauf der Jahrmilliarden entwickelt hat – und nicht zuletzt auch, ob Bakterien genauso aussterben können wie Makroorganismen. Laut ihren im Magazin "Nature Ecology and Evolution" veröffentlichten Ergebnissen passiert dies sogar in großem Stil. Und doch laufe das Aussterben von Bakterien anders ab als bei großen Lebewesen.

Big Data

Da Bakterien nur selten Fossilien hinterlassen und diese schwerlich in allen Feinheiten analysiert werden können, wählten die Forscher einen mathematisch-statistischen Ansatz. Es liegen massenhaft Daten über Genom-Sequenzierungen von Bakterien vor, aus denen die Forscher mittels Big-Data-Analysen einen Baum des bakteriellen Lebens zu erstellen versuchten. "Vor zehn Jahren wäre diese Studie nicht möglich gewesen", sagt ein Kollege Loucas, der Mathematiker Michael Doebeli.

Das Zurückverfolgen der Genom-Entwicklungen führte die Forscher zum Ergebnis, dass alleine in der vergangenen Million Jahre 45.000 bis 95.000 Spezies von Bakterien ausgestorben sein dürften. Angesichts solcher Zahlen könnte man von einem Massenaussterben sprechen, doch dahinter steckt ein anderer Mechanismus als bei Tieren und Pflanzen.

Steter Wandel

Anders als Makroorganismen seien Bakterien von den großen Massenaussterbeereignissen der Erdgeschichte kaum betroffen gewesen, sagen die Forscher. Statt einiger gewaltiger Einschnitte, ausgelöst von globalen Katastrophen, laufe das Aussterben von Bakterien eher wie ein stetiger Prozess ab, indem einzelne Spezies von anderen verdrängt werden. Bakterien können also aussterben – und tun dies auch in bemerkenswert hoher Rate.

Trotzdem hat sich die Artenvielfalt der Bakterien laut der Studie seit den Anfängen des Lebens ohne Unterbrechung exponentiell vergrößert. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher der Frage nachgehen, ob die Zunahme der taxonomischen Vielfalt auch mit einer der ökologischen einhergeht: Also ob diese sehr einfachen und nur wenige Mikrometer großen Organismen nach all der Zeit immer noch das Potenzial in sich tragen, ganz neue Lebensweisen hervorzubringen. (red, 4. 8. 2018)