Serbische Medien berichteten am Donnerstag, dass Albanien seine Grenzen ab dem 1. Jänner zum Nachbarstaat Kosovo öffnen wolle. In Serbien interpretierte man dies als einen Versuch, Großalbanien zu schaffen. Tatsächlich hat der albanische Premier Edi Rama bereits vor vielen Monaten angekündigt, das Grenzregime zwischen Albanien und dem Kosovo zu erleichtern. In einem Interview mit dem Standard im Herbst 2018 sagte er, dass die Grenzkontrollen künftig so sein sollten wie zwischen Österreich und der Schweiz. "Jetzt gibt es sehr schwere Kontrollen und wir wollen eben ein leichtes Grenzmanagement, aber nicht ganz ohne Kontrollen. Jedoch werden beide Seiten werden zusammen sein."

An der Grenze zwischen Montenegro und Albanien gibt es bereits seit vielen Jahren ein integriertes Grenzmanagement – die Beamten der Nachbarstaaten arbeiten eng zusammen. Laut Rama soll das Grenzmanagement zwischen Albanien und dem Kosovo noch "leichter" sein. Albanien sei auch bereit, dasselbe Grenzmanagement mit Mazedonien, Montenegro und Griechenland einzuführen, meinte Rama damals. "Wir sind bereit, dies mit allen zu machen. Aber im Fall des Kosovo müssen wir das machen, weil hier am meisten Menschen kommen, die an der Grenze leiden", sagte Rama damals. Es ginge nicht nur um Personen-, sondern auch um Warenverkehr und das ganze sei Teil eines Aktionsplans, der mit EU-Kommissar Johannes Hahn ausgearbeitet worden sei.

In Stellung bringen

Die Aufregung um das Grenzmanagement kommt nicht von ungefähr. Denn die Spannungen steigen vor dem geplanten Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo, das bereits kommendes Jahr unter Dach und Fach gebracht werden soll. Alle Seiten bringen sich nun in Stellung und versuchen mit verschiedenen Vorschlägen die Lage abzutasten. Das anvisierte Rahmenabkommen zwischen den beiden Staaten soll zu einer Art indirekten Anerkennung des Kosovo durch Serbien führen. Allerdings könnte die Grenze zwischen Serbien und dem Nordkosovo, der mehrheitlich von Serben bewohnt wird, analog zu der Grenze zwischen dem Süd-Kosovo und Albanien dabei sehr durchlässig gestaltet werden. Was wie eine pragmatische Lösung aussieht, betont auf der anderen Seite ethnische Zugehörigkeiten und keineswegs die territoriale Integrität.

Kürzlich hat der kosovarische Präsident Hashim Thaçi sogar von der "Korrektur der Grenzen" gesprochen. Thaçi sagte, dass es beim Dialog auch um die Vereinigung mit dem südserbischen Preshevo-Tal gehen solle. Im Preshevo-Tal leben auch viele albanisch-sprechende serbische Staatsbürger.

Euphemismus für Teilung

Thaçi`s Ansage wurde so interpretiert, dass er nun auch für eine Teilung des Kosovo oder einen Landaustausch sei. Der kosovarische Oppositionspolitiker Ilir Deda sagte, dass die Aussage über die "Korrektur der Grenzen" ein Euphemismus für die Teilung sei. Der Landaustausch würde bedeuten, dass das Preshevo-Tal an den Kosovo geht und der Nordkosovo an Serbien. Die Teilungs-Idee wird vor allem vom prorussischen serbischen Innenminister Ivica Dačić vertreten. Allerdings will er höchstens, dass der mehrheitlich von Serben bewohnte Nordkosovo zu Serbien kommt, niemals würde er aber das Abtreten des Preshevo-Tals unterstützen.

Es kann also sein, dass Thaçi das Preshevo-Tal nur deshalb erwähnte, um Argumente gegen die Teilung des Kosovo, die er ablehnt, auf den Tisch zu legen. Unter EU-Diplomaten, die sich mit der Region auskennen wird seit Monaten mit Sorge betrachtet, dass die für den Dialog zuständige EU-Außenbeauftragte Federicca Mogherini bezüglich der immer wieder geführten Diskussion zu den Grenzen keine "rote Linie" gezogen hat. Dies eröffne Spekulationen zu dem Thema und das sei gefährlich, insbesondere für die staatliche Integrität von Bosnien-Herzegowina, die dauernd von kroatischen und serbischen Nationalisten infrage gestellt wird. Für Verunsicherung sorgte auch kürzlich die Aussage des US-Botschafters im Kosovo Greg Delawie, der meinte, dass der Kosovo einem Abkommen zustimmen werde – was auch immer der endgültige Deal mit Serbien sein werde.

Nicht entlang ethnischer Kriterien

Die deutsche Regierung und die EU-Kommission – und andere EU-Staaten wie Slowenien, die sich gut auskennen – sind strikt gegen eine Teilung des Kosovo. Eine Teilung des Staates Kosovo würde zudem nicht nur der kosovarischen Verfassung, sondern auch allen politischen Bemühungen des Westens in den vergangenen 25 Jahren widersprechen, die Balkanstaaten eben nicht entlang ethnischer Kriterien zu ordnen. Beim Zerfall Jugoslawiens orientierte man sich am Völkerrechts-Prinzip "uti possidetis", das besagt, dass die gegenseitigen internationalen Grenzen auf dem Territorium der neu entstehenden Staaten den zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit bereits bestehenden administrativen Grenzen entsprechen sollte – im Fall von Jugoslawien waren das die Republiken, beim Kosovo die früheren Grenzen der autonomen Provinz.

Edi Rama spielte "ethnische Karte" im Zusammenhang mit dem Kosovo bereits öfter in kontraproduktiver Weise aus. Bei seinem Besuch in Pristhina anlässlich des Unabhängigkeitsjubiläums im Februar, schlug er vor, dass Albanien und der Kosovo einen gemeinsamen Präsidenten "als Zeichen für die nationale Einheit und eine gemeinsame nationale Sicherheitspolitik" haben könnten. Solche Bemerkungen von Rama befördern Ängste in der Region, dass ein "Großalbanien" geschaffen werden könnte. Rama ernannte zudem vier kosovarische Staatsbürger zu Vizeministern – wohl um seine eigene regionale Wichtigkeit zu betonen.

Warnung vor inszeniertem Zwischenfall

Vor den nächsten Verhandlungsrunden zwischen Serbien und dem Kosovo steigt nun auch die Spannung im Nordkosovo. Der orthodoxe Abt Sava Janjić vom Kloster Dečani warnte kürzlich vor inszenierter Gewalt. "Zur Zeit zirkuliert im Kosovo viel beunruhigende Information", schrieb der als Cyber-Mönch bekannte Abt auf sozialen Medien. "Darunter gibt es Nachrichten eines bevorstehenden Szenarios eines gemeinsam inszenierten Zwischenfalls im Nordkosovo, der Reaktionen auf beiden Seiten provozieren und #Kosovo in ein Teilungszenario stürzen würde", so Janjić. Er rief alle politischen Führer dazu auf, Ruf nach territorialer Teilung zurückzuweisen.

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić nannte die Aussagen von Janjić "leeres Gerede". Die Nato im Kosovo stellte bereits klar, dass man bei Gewalt einschreiten werde. (Adelheid Wölfl, 02.08.2018)