München – Im Mai sorgte eine Meldung des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel für Aufsehen, derzufolge der Meeresboden von Nord- und Ostsee mit enormen Mengen von brisanten Kriegsrelikten übersät ist. Mehr als eine Million Tonnen intakter und korrodierender Munition sei es, schätzten die Forscher.

Die Fraunhofer-Gesellschaft kommt nun auf einen Schätzwert von etwa 1,6 Millionen Tonnen konventioneller Munition und – noch schlimmer – 220.000 Tonnen chemischer Kampfmittel. Herkömmliche Beseitigung durch speziell ausgebildete Taucher ist vor allem gefährlich, aber auch aufwendig und teuer. Deshalb arbeiten Wissenschafter und Ingenieure an einem Robotersystem, das eine teilautomatische Entsorgung ermöglichen soll.

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie (ICT) entwickeln gemeinsam mit der Universität Leipzig und mehreren Industriepartnern ein "Robotisches Unterwasser-Bergungs- und Entsorgungsverfahren inklusive Technik zur Delaboration von Munition im Meer", kurz RoBEMM. "Langfristiges Ziel des Projektes ist es, die Munition bereits direkt am Fundort unter Wasser teilautomatisiert unschädlich zu machen und umweltgerecht zu entsorgen, sagt Paul Müller vom ICT. Erste Tests sollen in Kürze anlaufen.

Herausforderungen

Selbst nach mehr als 70 Jahren sind die Kampfstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg immer noch gefährlich. Der Sprengstoff kann nach wie vor explodieren, die Abbaustoffe sind hochgiftig. So haben die Forscher beispielsweise festgestellt, dass sich die Schlagempfindlichkeit der Explosivstoffe in der Zwischenzeit sogar erhöht haben kann.

Wichtig ist bei der Entsorgung daher das Herabsetzen der Empfindlichkeit des Sprengstoffs durch die Zugabe von Wasser und die anschließende Zerkleinerung. Dann werden die Metallhülsen gereinigt und der Sprengstoff wird verbrannt, so dass nur Metallschrott an Land gebracht wird.

Ein besonders kniffliges Problem ist, dass am Ende des Krieges für die Herstellung von Munition alle Materialien verwendet wurden, die irgendwie noch verfügbar und geeignet waren. Daraus ergaben sich extrem unterschiedliche Munitionsformate – wodurch man nie wirklich weiß, welche Inhaltsstoffe vorhanden sind und wie sie unter Umständen plötzlich miteinander reagieren. (red, 3. 8. 2018)