In der Liang Bua-Höhle auf Flores fanden Archäologen die Überreste von 14 "Hobbits", einer bisher einzigartigen Urmenschenart.
Foto: Gludhug A. Purnomo, Pradiptajati Kusuma

Princeton – Eine neue Menschenart entdeckt man nicht alle Tage. Entsprechend verblüfft waren die Archäologen, als sie im Jahr 2003 auf der indonesischen Insel Flores die Gebeine eines rätselhaften zwergenwüchsigen Wesens freilegten. Der Fund löste in der Fachwelt sofort eine erbitterte Kontroverse aus und schlug auch medial hohe Wellen. Woher kam dieser Mensch? Wer war sein nächster Verwandter? Wohin ist er verschwunden?

Zunächst hielt man das etwa 60.000 Jahre alte Fossil aus der Höhle Liang Bua für einen Homos sapiens, der an einer schweren Hormonstörung gelitten hatte. Mittlerweile haben Forscher die Überreste von 14 Individuen ans Licht gebracht, bisherige Befunde drängten viele Paläoanthropologen zu der Ansicht, dass der als "Hobbit" berühmt gewordene Urmensch tatsächlich eine eigene Art darstellt: Homo floresiensis.

Die jüngsten Untersuchungen schlossen zudem eine direkte Verwandschaft mit Homo erectus weitgehend aus, sondern rückten den kleinen Menschen in die Nähe von Homo habilis. Letzterer war allerdings vermutlich ein gutes Stück größer als Homo floresiensis mit seiner Körperhöhe von etwas über einen Meter.

Etwa so könnte Homo floresiensis ausgesehen haben.
Foto: katrina kenny, sa museum

"Hobbit"-Nachfahren auf Flores?

Interessanterweise beherbergt Flores bis heute eine Gruppe von Ureinwohnern von ungewöhnlich kleiner Statur. Deren Dorf befindet sich zudem ganz in der Nähe jener Höhle, in der die Homo-floresiensis-Fossilien gefunden wurden. Könnte es sich bei ihnen um die entfernten Nachfahren der "Hobbits" handeln? Ein internationales Forscherteam ist nun dieser Frage nachgegangen und hat dafür die Genome von 32 Dorfbewohnern unter die Lupe genommen.

Da DNA-Analysen des Flores-Menschen bisher fehlen, durchforsteten die Forscher um Serena Tucci von der Princeton University die Erbinformationen dieser Population nach Hinweisen auf eine unbekannte Menschenabstammung – allerdings ohne Erfolg. Vielmehr stellte sich heraus, dass die geringe Körpergröße dieser Ureinwohnern evolutionär gesehen sehr wahrscheinlich neueren Datums ist.

Hinweise auf Neandertaler und Denisova

"Wir haben keine Anzeichen dafür gefunden, dass es einen Genfluss von Homo floresiensis zu den heute lebenden Menschen gibt", sagt, Richard E. Green, Koautor der Studie von der University of California in Santa Cruz. Die Wissenschafter konnten in ihrer "Science"-Studie allenfalls DNA-Rudimente des Neandertalers und des Denisova-Menschen im Genom der modernen Flores-Bewohner ausmachen, die auch in der Erbsubstanz anderer Bevölkerungsgruppen Südostasiens gefunden wurden.

Letztlich dürfte die Kleinwüchsigkeit der untersuchten Floresbevölkerung auf ein bereits bekanntes Phänomen zurückzuführen sein: die sogenannte Inselverzwergung. Demnach sorgte die natürliche Selektion dafür, dass Gene, die für die Metabolisierung von Fettsäuren verantwortlich sind, über die Jahrtausende hinweg einen Schrumpfungsprozess begünstigt haben – ein ähnliches Schicksal haben vermutlich vor mehreren Zehntausend Jahren auch die Vorfahren von Homo floresiensis erlitten. (tberg, 3.8.2018)