Drei Jahre ist es her, seit die große Fluchtbewegung Europa in Aufruhr versetzte. 88.000 Menschen suchten 2015 in Österreich um Asyl an, relativ zur Bevölkerung mehr als in jedem anderen EU-Staat nach Schweden. Seither sind die Asylantragszahlen stetig zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2018 gab es nur noch 7.098 Asylanträge.

Doch die Debatte über Migration und Integration ist heute lauter denn je. Dabei spielt auch die Frage nach den wirtschaftlichen Folgen eine zentrale Rolle. Haben die Geflüchteten die Wirtschaft belebt oder gebremst? Die Einschätzungen und Studien vermitteln ein uneinheitliches Bild. Und auf der individuellen Ebene: Haben die Zuwanderer Arbeit gefunden – und damit einen entscheidenden Schritt Richtung Integration gemacht?

Entwicklung

Um die Arbeitsmarktsituation von Geflüchteten einschätzen zu können, führt das Arbeitsmarktservice (AMS) seit 2015 eine Kontrollgruppe von rund 9.500 asylberechtigten oder subsidiär schutzberechtigten Personen. Von diesen Personen hatten mit Ende April rund 30 Prozent eine Beschäftigung gefunden, 49 Prozent waren arbeitslos oder in Schulung, 21 Prozent gehörten nicht der erwerbsfähigen Gruppe an.

Für das AMS sind die Zahlen erfreulich, denn man liege mit der Entwicklung im Plan. Die Einschätzung stützt sich auf internationale Untersuchungen etwa der OECD, wo davon ausgegangen wird, dass fünf bis sechs Jahre nach Ankunft rund die Hälfte der als arbeitslos gemeldeten Geflüchteten eine Arbeit hat. Was das im internationalen Vergleich bedeutet, ist schwer zu sagen: Denn die "Geflüchteten" sind keine homogene Gruppe, zudem unterscheiden sich die wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen von Land zu Land.

Österreich nicht schlecht bei Integration

"Österreich steht bei der Integration von Geflüchteten nicht schlecht da", sagt der OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig. Das liege auch daran, dass in diese Rechnung viele miteinbezogen werden, die zwischen 1989 und 1993 vom ehemaligen Jugoslawien nach Österreich geflüchtet sind, sich gut integriert haben und eine vergleichsweise hohe Beschäftigungsquote aufweisen.

Um einen besseren Einblick in den Hintergrund der vor drei Jahren nach Österreich geflüchteten Personen zu bekommen, führte das AMS 2016 und 2017 sogenannte Kompetenzchecks durch. Der Bildungsstand der Geflüchteten unterscheidet sich demnach sehr stark zwischen je nach Herkunftsland. Während rund 58 Prozent der Syrer und Iraker einen Abschluss über die Pflichtschule hinaus aufwiesen, hatten unter den Afghanen lediglich 20 Prozent Matura oder ein abgeschlossenes Studium.

Junge Syrer beim Kompetenzcheck im Jahr 2016.
Foto: Maria von Usslar

Tatsächlich weisen diese Personen meist eine höhere Qualifikation auf, als dies auf den Durchschnitt der Bevölkerung in den Herkunftsländern zutrifft. So besuchten in Afghanistan rund 80 Prozent keine Schule, während es bei den nach Österreich geflüchteten Afghanen nur ein Viertel ist. Die Abschlüsse in den Herkunftsländern sind aber oft schwer mit jenen in Österreich vergleichbar.

Die Beschäftigungsquote unter Geflüchteten liegt weit unter jener der einheimischen Bevölkerung. Die Unterschiede relativieren sich, wenn die Hintergründe mitberücksichtigt werden, da viele Geflüchtete älter oder in Ausbildung sind. Letztere sollten laut AMS Priorität haben, da besonders Deutsch als Basis für die Integration in den Arbeitsmarkt gesehen wird.

Eine schnelle Beschäftigung zeugt aber nicht immer von gelungener Integration. So können niedrig Qualifizierte rascher eine Arbeit finden, da sie einfachere Jobs annehmen. Konjunkturellen Schwankungen sind sie stärker ausgesetzt. "Häufig ist die Ausbildung für Geflüchtete wenig attraktiv. Viele wollen schnell wieder arbeiten oder haben Schulden", meint Liebig. Eine längere Ausbildungszeit würde sich später lohnen, weil sie mehr Joboptionen und mehr Geld bringt.

Positive Auswirkung auf die Wirtschaft

Flüchtlinge haben sich in den letzten dreißig Jahren positiv auf die Wirtschaft der Aufnahmeländer in Westeuropa ausgewirkt, heißt es in einer aktuellen Studie im Fachjournal "Science Advances". Kommen Geflüchtete in einem Land an, fallen zuerst Ausgaben an. Geld für die Ausbildung oder Mindestsicherung muss bereitgestellt werden. Allerdings zahlen Geflüchtete auch Steuern. Sie geben Geld aus und können wichtige Stellen besetzen.

Im Vergleich zu Arbeitsmigranten brauche es bei Geflüchteten jedoch mehr Zeit, bis sich die positiven Effekte einstellen. Rund drei bis sieben Jahre nach einer Phase zahlreicher Flüchtlingsankünfte sei mit positiven Effekten auf das BIP zu rechnen. Laut OECD sind die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Geflüchtete in Österreich vergleichsweise gering, man rechnet bis Ende 2020 mit einem Anstieg der Arbeitskräfte um 0,5 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen könnte sich um zwei bis vier Prozent erhöhen.

Die OECD fordert, die Fertigkeiten und Arbeitserfahrungen von Asylsuchenden genauer zu untersuchen. In Österreich sind Asylwerber faktisch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen, sie dürfen nur in Saisonberufen oder etwa der Prostitution arbeiten. Gerade Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit sollten laut OECD bereits früh an die Jobs und Sprachkurse herangeführt werden.

Rund ein Drittel der österreichischen Unternehmen beschäftigt laut einer Umfrage der Unternehmensberatung Deloitte anerkannte Flüchtlinge. Hürden gebe es bei fehlenden Deutschkenntnissen und der Bürokratie bei der Anstellung von Flüchtlingen. Sind diese überwunden, ist die Zufriedenheit mit den Mitarbeitern hoch: 91 Prozent der Unternehmen planen, zusätzliche Personen mit Fluchthintergrund einzustellen.

Aman Amiri erkundet Baustellen in und um Wien.
Foto: Pallinger

DER BAUMEISTER

Aman Amiri trägt Hemd und Anzug und hat in dem verglasten Büro Platz genommen. Um für das Treffen Zeit zu haben, fängt er heute etwas später mit der Arbeit an. "Kein Problem", sagt er und winkt mit einem Lächeln ab. Vor mittlerweile sechs Jahren kam Amiri bei der Strabag unter, erhielt eine vierjährige Lehrausbildung zum Maurer und Schalungsbauer. Jetzt erkundet er regelmäßig Baustellen in und um Wien, ist von den Baustilen und der Architektur begeistert. "Wenn ich später mein eigenes Haus baue, muss ich wissen, wie man das Fundament und die Wand herstellt", sagt Amiri.

Das Leben in Österreich sei für ihn nur schwer mit dem in seinem Heimatland vergleichbar. Denn Amiri kommt aus einem kleinen Dorf in Zentralafghanistan, wo er bereits als Kind auf den Feldern seiner Familie aushalf. Mit 17 Jahren flüchtete er "aus familiären Gründen" aus dem Land – arbeitete zuerst neun Monate am Bau im Iran und kam dann mit Schleppern bis nach Traiskirchen. Später machte er Deutschkurse, holte seinen Schulabschluss nach und bewarb sich für Lehrstellen in Wien.

"Mit Fluchthintergrund ist es schwierig, eine Stelle zu finden. Ich habe für jedes Vorstellungsgespräch versucht, alle Sätze auswendig zu lernen", sagt Amiri. Er sei als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich, viele Unternehmen seien deswegen sehr skeptisch ihm gegenüber gewesen. Mittlerweile hat Amiri eine Wohnung in Wiener Neustadt, von wo er jeden Tag nach Wien pendelt. Bis er sein eigenes Haus hat, möchte er weiter dort wohnen. "Bis dahin bin ich dann Baumeister."

Karam Abdin hat in Syrien Wirtschaftsinformatik studiert, in Österreich hat er bisher Absagen auf seine Bewerbungsschreiben bekommen.
Foto: Pallinger

DER PROGRAMMIERER

Die Wohnung ist klein und überschaubar: In dem schmalen Gang ist gerade genug Platz für die Küche, in dem Zimmer daneben zieht sich ein Stockbett über eine braune Couch und einen Tisch, auf dem ein Globus aufgestellt ist. "Ich habe schon immer davon geträumt, nach Europa zu kommen", sagt Karam Abdin, der auf der Couch Platz genommen hat. Vor dreieinhalb Jahren blieb ihm wenig anderes übrig: Als in seiner Heimat Damaskus in Syrien die Bomben flogen, kam Abdin mit dem Flugzeug nach Wien. Nicht alles hat sich seither so entwickelt, wie er es sich erhofft hatte: Mehr als ein halbes Jahr musste er auf seinen Asylbescheid warten.

Eine Zeit, in der nichts anderes tun konnte, als zu warten, wie er sagt. Nach dem positiven Asylbescheid begann Abdin sofort, Deutsch zu lernen. "Mit dem Dialekt war das sehr schwierig", erzählt er. In Syrien hatte der 30-Jährige Wirtschaftsinformatik studiert, in Österreich konnte er mit dem Studium jedoch wenig anfangen. Seit der Asylzusage ist Abdin beim AMS als arbeitslos gemeldet, dutzende Bewerbungsschreiben hat er bereits an Firmen verschickt – bisher wurden alle negativ beantwortet. "Keine Arbeit zu haben macht nervös. Die Zeit vergeht langsamer", sagt Abdin. Zumindest beim Samariterbund konnte er aushelfen und nebenbei mit älteren Patienten Deutsch üben. Am liebsten würde er als Programmierer arbeiten. Oder noch den Master in Wirtschaftsinformatik machen. "Aber dafür habe ich im Moment zu wenig Geld."

Hind Hamid pflegt und betreut Menschen als Heimhelferin.
Foto: Jakob Pallinger

DIE PFLEGERIN

Die Kollegen sind ihr mittlerweile äußerst vertraut. "Guten Morgen, wie geht es dir heute?", sagt Hind Hamid, während sie mit schnellen Schritten durch den hellerleuchteten Flur des Wohnhauses geht. Seit fast einem Jahr hat Hamid eine Anstellung im Senecura-Altenpflegehaus in Pressbaum in Niederösterreich. Drei bis vier Tage die Woche fährt sie von ihrem Haus in Eichgraben die zehn Minuten mit dem Auto zum Wohnhaus.

Die Routine kennt sie bereits gut: Am Morgen wäscht und duscht sie die Bewohner, zu Mittag bereitet sie das Essen in den Zimmern vor, am Nachmittag kümmert sie sich um die Wäsche und redet mit den Bewohnern. "Mit den Älteren kann ich viel Deutsch reden. Das hilft, auch wenn der Dialekt oft schwer zu verstehen ist", sagt Hamid und muss lachen. Drei Jahre ist es her, seit sie aus dem Irak geflüchtet ist. Wie viele andere auch kam sie zuerst über die Türkei, dann mit dem Boot, Bus, Zug und zu Fuß durch Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich. Ihre sechsjährige Tochter nahm sie mit, ihr Mann wartete bereits hier auf sie. Die ersten eineinhalb Jahre lernte Hamid Deutsch. Früher, im Irak, hatte sie als Englischlehrerin gearbeitet, beim AMS in Österreich habe man ihr mitgeteilt, dass dafür hier kein Bedarf bestehe.

Hamid entschied sich für eine Ausbildung zur Heimhelferin, eine Freundin half ihr, die Ausbildung zu bezahlen. Eines weiß Amid bereits: dass sie in Eichgraben bleiben will, wo ihre Kinder in die Schule gehen. "Für mich ist das richtige Leben hier", sagt Hamid. Im Moment ist sie subsidiär schutzberechtigt, Ende 2019 muss sie auf eine erneute Verlängerung ihres Status hoffen. (Jakob Pallinger, 3.8.2018)