Wien – Thomas N. ist 16 Jahre alt und ein Beispiel dafür, dass die Pubertät eine schwierige Zeit ist. Der unbescholtene Lehrling muss sich vor Richter Daniel Schmitzberger wegen einer deliktmäßig umfangreichen Anklage verantworten, da er im heurigen Frühjahr "eine wirklich blöde Zeit" gehabt hat, wie er der Jugendgerichtshilfe verriet. In numerischer Reihenfolge aus dem Strafgesetzbuch werden N. versuchte schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen, dazu kommt ein Verstoß gegen das Waffengesetz.

"Eine angesoffene Geschichte", versucht sein Verteidiger zu kalmieren. Der Angeklagte selbst erzählt es so: "Ich war mit einem Freund am 7. Mai im Burggarten was trinken. Vier bis fünf große Bier und ein oder zwei Jägermeister." Der Ethanolkonsum hatte die erhofften Folgen, allerdings mit ungünstigen Konsequenzen. "Durch die Enthemmung sind wir auf die blöde Idee gekommen, die Autoembleme zu entfernen", gibt der Teenager zerknirscht zu.

Anrainer alarmierte Polizei

Das geschah nach 22 Uhr in einer ruhigen Straße in Wien-Landstraße. Von sieben Fahrzeugen brachen die beiden Jugendlichen dort Mercedessterne und Kühlergrills ab, bis ein Anrainer die Polizei alarmierte. Als die eintraf, soll N. zu flüchten versucht und sich gegen die Festnahme gewehrt haben. Er schildert es anders: "Ich war so erschrocken, als ich die Polizei gesehen habe, dass ich ein paar Schritte zurückgemacht habe. Es kann sein, dass es aussah, als ob ich davonlaufen wollte."

Einer von drei Polizisten brachte ihn in Bauchlage zu Boden, dabei habe er Schmerzen gehabt. Es könne daher sein, dass er um sich getreten habe, er hatte aber sicher keine Verletzungsabsicht gegenüber den Beamten, beteuert der Angeklagte.

In der Tasche hatte er ein Klappmesser – trotz aufrechten Waffenverbots. Das wurde eineinhalb Wochen vorher ausgesprochen – im Burggarten. "Da bin ich mit einem anderen Freund gesessen, wir haben auch was getrunken. Der hatte einen Schlagring, ich habe gefragt, ob ich den einmal ausprobieren kann, und habe damit in die Luft geschlagen." – "Auch nicht die beste Idee, oder?", befindet der Richter, schließlich riefen beunruhigte Passanten damals die Polizei.

Versprechen, weniger Alkohol zu konsumieren

"Ich glaube, ich vertrage Alkohol nicht so gut", sagt der großgewachsene Angeklagte. "Ich trinke jetzt keinen Alkohol meh...", beginnt er, um den Satz dann mit "... nur noch so viel, dass ich weiß, was ich mache" wahrheitsgemäß zu beenden. Den Schaden von 1.670 Euro, den zwei Besitzer von ihm erstattet bekommen wollen, werde er in Raten von seinen 420 Euro Lehrlingsentschädigung zahlen, verspricht N. dem Richter.

Schmitzberger hört dann von den Zeugen unterschiedliche Versionen der Festnahme. Der 29-jährige Anrainer, der im Mai die Exekutive rief, hat zwar das Zu-Boden-Bringen selbst nicht beobachtet, schildert aber, dass N. sich gewehrt und "wirres Zeug" geschrien habe. Ob gezielte Tritte gegen die Beamten dabei waren, will er nicht bewerten.

Ein 60-jähriger Unternehmer, der zufällig vorbeikam, will dagegen anderes beobachtet haben. "Ich habe die zwei alkoholisierten Jugendlichen gesehen. Plötzlich ist ein Polizeiauto mit quietschenden Reifen gekommen, einer ist aus dem Auto gesprungen und hat einen der beiden zu Boden gerissen."

Beachtliche Beweglichkeit laut Polizei

Inspektor H., damals Polizeischüler, wiederum sagt, er habe N. "an der Schulter berührt, und der ließ sich fallen". In Bauchlage habe der Jugendliche gezielte Tritte ausgeteilt, angeblich habe er es sogar geschafft, sich trotz am Rücken gefesselter Hände wieder zu erheben.

Am Ende verliest Schmitzberger noch den Bericht der Jugendgerichtshilfe, bei der der Angeklagte von der "blöden Zeit" gesprochen hatte. Eine Einschätzung, die auch seine Mutter teilte: "Sechs Wochen lang hat er völlig gesponnen, jetzt ist alles wieder normal." Nachdem ihr Sohn das Gymnasium abgebrochen hat, habe er sich nun selbstständig eine Lehrstelle gesucht.

Die von Jugendgerichtshilfe und Verteidiger gewünschte Diversion lehnt der Richter ab. "Die ist ausgeschlossen, das ist einfach schon ein bisschen zu viel", begründet Schmitzberger seinen rechtskräftigen Schuldspruch ohne Strafe. "Sie bekommen ein Waffenverbot, ein paar Tage später laufen Sie wieder betrunken mit einem Messer herum, beschädigen Autos und setzen dann auch noch einen Widerstand", mahnt der Richter den Angeklagten, der auch den Schaden ersetzen, die Kosten des Verfahrens übernehmen und Bewährungshilfe in Anspruch nehmen muss. (Michael Möseneder, 5.8.2018)