Im Kampf gegen den Klimawandel, zu dem sich die meisten Staaten der Welt im Pariser Klimaabkommen verpflichtet haben, könnten sogenannte Klimazölle eine wichtige Rolle spielen.

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Donald Trumps Strafzölle sorgen bei den meisten Ökonomen für Entsetzen. Aber manche sehen im Protektionismus des US-Präsidenten eine Chance, eine Schwachstelle des Welthandelssystems zu reparieren.

Es geht um den Kampf gegen den Klimawandel, zu dem sich die meisten Staaten der Welt im Pariser Klimaabkommen verpflichtet haben, diesen aber mit unterschiedlicher Intensität betreiben. Während ein Land mit niedrigeren Lohnkosten nach der klassischen Handelstheorie einen zulässigen komparativen Vorteil bei Billigprodukten gewinnt, wird man durch einen Verzicht auf teure Klimamaßnahmen zum Trittbrettfahrer, weil man dem ganzen Planeten Schaden zufügt.

Industrien werden dann dazu verleitet, ihre Produktion in Staaten mit meist niedrigeren Energiekosten zu verlagern und dann in die Länder mit strengeren Standards zu exportieren. Damit wird der weltweite Klimaschutz ad absurdum geführt.

Klimazölle

Zur Abwehr dieses "Carbon-Leakage" fordern Experten seit Jahren sogenannte Klimazölle – Abgaben auf Importe, deren Produktion mehr Treibhausgasausstoß verursacht, als wenn die Güter im eigenen Land hergestellt worden wären. "Border Carbon Adjustment" (BCA) heißt das im Fachjargon – Grenzkohlenanpassung.

Produkte aus China oder Indien, die viel schmutziger hergestellt werden, könnten darunter fallen – und natürlich alles aus den USA, sollte dort der Klimaschutz tatsächlich weiter zurückgefahren werden. Das würde etwa Konzerne wie die Voestalpine davon abhalten, ihre Stahlproduktion in die USA zu verlegen, weil sie dort dank geringerer Klimaauflagen günstiger produzieren kann.

Rückendeckung für diese Idee kam im Vorjahr von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, und ein flammender Appell für BCA_erschien vor kurzem im renommierten Fachjournal "Nature". Der doppelte Angriff Trumps auf Klimaschutz und Freihandel verlange neue Lösungen; die EU_und andere Staaten sollten auf US-Strafzölle mit Klimaabgaben reagieren, schrieb dort Michael Mehling, Vizedirektor des Center for Energy and Environmental Policy Research (CEPR) am MIT in Boston, mit zwei Kollegen.

Wir könnten damit gleich zwei Fliegen auf einen Schlag erlegen, den Protektionismus und den Klimawandel", sagt Mehling im STANDARD-Gespräch. Nun sei der Augenblick gekommen, darüber ernsthaft zu verhandeln.

Mit WTO-Regeln kompatibel?

Zwei Argumente werden von Kritikern einer solchen Maßnahme eingebracht: Klimazölle würden gegen die Regeln der Welt handelsorganisation (WTO) verstoßen und wären unglaublich schwer zu berechnen. Mehling hält beide Hürden für überwindbar. "Die WTO hat in einem Bericht selbst festgestellt, dass es rechtlich möglich wäre, wenn es richtig ausgestaltet wird. Es muss klar sein, dass es um Klimaschutz und nicht um Arbeitsplätze geht. Und die Zölle müssen transparent und fair sein."

Aber dafür müsse man genau wissen, wie viel CO2-Ausstoß in einem Produkt steckt. "Höllisch schwer" bezeichnete der britische "Economist" im Vorjahr diese Kalkulation. Bei komplexen Gütern wie Automobilen treffe das zu, sagt Mehling, nicht aber bei energieintensiven Primärgütern wie Stahl oder Zement.

"Da hat es in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte bei der Berechnung des Fußabdrucks gegeben." Deshalb sollte man dort beginnen. Produzenten müssten dann etwa nachweisen, dass sie weniger als der Durchschnitt emittieren.

Die Einführung von Klimazöllen wäre vor allem auch ein Signal an die USA, sagt Mehling. Dort folge die Klimapolitik einer Art von Pendelbewegung, falle aber derzeit gegenüber Europa deutlich zurück. Das könne sich zwar nach Trump wieder ändern.

"Aber Klimazölle würden einen Anreiz schaffen, dass die USA mittelfristig dabei bleiben und nicht ihr derzeitiges ,Wir sind weg, wir sind wieder da‘-Spiel fortsetzen." (Eric Frey, 4.8.2018)