Eszter Salamon widmet ihr Stück "Monument 0.3" der Berliner Groteskentänzerin Valeska Gert (1892-1978), die in der Weimarer Republik für Furore gesorgt hat.

Foto: Karolina Miernik

Lange Zeit war die deutsche Avantgardistin Valeska Gert vergessen. Mit ihren Soloauftritten hatte die "Grotesktänzerin" vor allem in den 1920er-Jahren für Furore und Skandal gesorgt. Bei Impulstanz stehen jetzt zwei Stücke auf dem Programm, in denen die Originalität der Tochter eines Berliner jüdischen Kaufmanns neu erlebbar wird: Monument 0.3: "The Valeska Gert Museum" von Eszter Salamon, noch zu sehen bis Samstag, und kommende Woche Jule Flierls Soloreihe Störlaut mit etlichen Tontänzen der 1978 verstorbenen Künstlerin.

Die aus Ungarn stammende Berliner Choreografin Salamon gehört heute selbst zu den Fixsternen der deutschen freien Tanzszene. In Österreich war sie wiederholt bei Impulstanz, im Tanzquartier und beim Steirischen Herbst zu Gast. Ihre Performance zu Valeska Gert hat sie nun perfekt ins Wiener Mumok eingepasst.

"Perfekt" heißt, dass Salamon verschiedene Solowerke aus dem OEuvre der Avantgardistin als Ausstellungs-"Stücke" ins Mumok einspielt und das Mumok dabei nicht einfach zur Bühne umfunktioniert, sondern es als Schauplatz historischer Live-Kunst vorstellt. Dabei verdoppelt sich die Performerin: Sowohl Salamon selbst als auch die begabte Tänzerin Boglárka Börcsök verkörpern "ihre" Valeska Gert.

Schwarz gekleidet und grell geschminkt wechseln sie in der großen Erdgeschoß-Halle immer wieder von einer Wand zur anderen, um abwechselnd kurze Soli wie Das Baby, Kupplerin oder Chansonette vorzuführen: teils mit veränderten Titeln, um darauf aufmerksam zu machen, dass es sich hier um Überarbeitungen handelt.

Ausufernde Grimassen

Dabei kommt die Ausdruckskraft, die in Gerts Arbeiten enthalten ist, hervorragend zur Geltung. Ausufernde Grimassen, verrenkter Körper, durchdringende Stimme, vereinzelte Attacken auf das Publikum, verstümmelte Sprache – all das spiegelt die Krisen der Zwischenkriegszeit wider. Und weil die Abgründe der "Roaring Twenties" und der 1930er-Jahre so gut zu den Brüchen unserer Gegenwart passen, scheint es, als wären Gerts Stücke auch für das Heute zugeschnitten.

The Valeska Gert Museum setzt sich in einem Tiefgeschoß – etwa mit einem gestürzten Engel – und in der untersten Etage des Mumok fort. Dort gibt es Bloody Mary zu trinken, Zwiebelsuppe zu schlürfen und ein "Schlummerlied". Die Struktur des Abends ist extrem gut durchdacht, die Dramaturgie bestens an das Museum angepasst, die Atmosphäre schwankt zwischen Übermut und Bitternis, Konfrontation und Witz.

Gert war der Auffassung, dass sie das bourgeoise Publikum am besten mit Einzelauftritten attackieren konnte. Gruppenwerke waren ihr zu affirmativ. Das thematisiert Salamon und liefert damit auch Stoff für Debatten über den aktuellen Kulturkonservativismus. Das Programm beginnt mit einem Stück, dem Salamon den Titel Cleaning the Air from the Bourgeois Gaze gab. In den darauffolgenden zwei Stunden wird dies konsequent weiterbetrieben. (Helmut Ploebst, 3.8.2018)