Mit jedem Investor, der in das Netzwerk einsteigen möchte, wird ein Interview geführt – und ein Bild für die firmeneigene Wall of Fame gemacht.

Foto: Primecrowd

Markus Kainz gründete vor acht Jahren das Start-up Courseticket und weiß aus eigener Erfahrung wie schwer es ist, ein Investment zu bekommen.

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Wien – Egal, ob sie sich zur Durststrecke oder zum sofortigen Höhenflug entwickelt, die Beziehung zwischen Start-up und Investor ist etwas Spezielles. Der Weg, bis sich die Richtigen gefunden haben, ist oftmals als langwierig und kompliziert. Primecrowd möchte diese Suche vereinfachen. Das Wiener Unternehmen bündelt rund 800 Investoren in einem Netzwerk und agiert als Schnittstelle zwischen Kapitalgeber und Start-up.

Im Juli ließ das Netzwerk mit zwei Investments für heimische Jungunternehmen aufhorchen. Carbon Recovery recycelt alte Autoreifen, um neue Kunststoffe zu erzeugen. Das Jungunternehmen erhielt eine Finanzspritze in Höhe von 325.000 Euro. Für Stratact, eine Coaching-App, die den Arbeitsalltag von Mitarbeitern effizienter gestalten soll, gab es 510.000 Euro. Seit Anfang 2016 wurden sechs Millionen Euro an 15 Start-ups vergeben.

· Wer investiert

"Wir führen mit jedem Investor, der in das Netzwerk einsteigen möchte, mindestens ein Gespräch. So finden wir das Wichtigste über seine Kontakte heraus, in welcher Branche er tätig ist und wie er ein Start-up am besten unterstützen kann", sagt Primecrowd-Geschäftsführer Markus Kainz. Es wird zwischen zwei Arten von Investoren unterschieden – Primefriends und Casual-Investors. Die Casuals bewegen sich in einem Investmentrahmen von 10.000 bis 50.000 Euro, wobei 10.000 das Minimum für ein Investment ist. Ab 50.000 Euro gehört man zu einem von aktuell 200 "Freunden".

"Zu den Primefriends zählen erfahrene und finanzkräftige Risikokapitalgeber, zum Beispiel der AWS-Gründerfond oder Heinrich Prokop von Clever Clover. Casual-Investors müssen oft erst Gefühl für Risikokapital aufbauen und können so in die Szene reinschnuppern", erklärt Kainz. Für ein Investment werden immer Beteiligungen an den jeweiligen Firmen ausgegeben.

Pro Monat kämen in etwa 30 bis 40 neue Investoren dazu. Das Netzwerk erweitere sich von selbst, das meiste passiere über Weiterempfehlungen. Das sei in diesem Feld auch der beste Weg, denn man kann sich nicht einfach auf die Suche begeben. Was bei klassischem Kundenfang funktioniert, geht bei Investoren nicht.

· Wie es funktioniert

Zwei Schritte stehen an, bevor Geld fließen kann. Primecrowd führt eine Due Diligence Prüfung durch, danach werden die Primefriends um ihre Meinung zum jeweiligen Start-up befragt. Man bekäme durch diese Befragung viele qualifizierte Meinungen und auch immer wieder einen anderen Blickwinkel. Das erleichtere die Entscheidung, ob wir ein Unternehmen aufnehmen, so Kainz. Kommt es zu einem Investment, werden die Casual-Investors zu einer Gruppe zusammen geschossen und Primecrowd tritt als Sprachrohr für sie auf. "Es ist für ein Start-up schlichtweg zu mühsam, wenn mehrere kleine Investoren immer wieder etwas wollen. Die Gründer sollen sich auf ihr Business konzentrieren", sagt Kainz. Carbon Recovery hat beispielsweise neun Geldgeber.

· Wer Geld bekommt

Um für Primecrowd infrage zu kommen, müssen Start-ups bereits erste Umsätze vorweisen können und eigenständig Kunden gewonnen haben. "Wer das aus eigener Kraft nicht schafft, hat wahrscheinlich nicht das Zeug zum Gründer." Als zweite Voraussetzung muss das Unternehmen im deutschsprachigen Raum ansässig sein, da Primecrowd hier das Netzwerk aufgebaut hat. Aktuell betreibt Primecrowd nur den Standort in Wien, der Sprung nach Deutschland und in die Schweiz stehe jedoch unmittelbar bevor.

Großer Wert wird – wie in Investorenkreisen ohnehin üblich – auf das Gründerteam gelegt. Vor allem "beratungsresistent" dürften die Jungunternehmer nicht sein. Investoren bringen einerseits Netzwerk und andererseits Geld, oft ist aber das Know-how noch entscheidender.

· Wie Primecrowd verdient

Das Geschäftsmodell ist erfolgsabhängig ausgestaltet. Kommt es zu einem Investment, gibt es eine Provision. Zusätzlich erhält Primecrowd einen Bonus, wenn das Start-up zum dreifachen Preis des Investments verkauft wird. Ein weiterer Geschäftszweig ist die Beratung. Primecrowd berät sowohl Unternehmen als auch Gemeinden, wenn es um Kooperationen mit Start-ups geht.

· Wie es dazu kam

Den Grundstein für Primecrowd legte Kainz eigene Gründerzeit. Vor acht Jahren rief er Courseticket ins Leben, einen Onlinemarktplatz für Weiterbildungskurse und Ticketbuchungssystem. "An Investments zu kommen war immer schwer und man bekam schnell das Gefühl, froh sein zu müssen, wenn man überhaupt jemand investiert", erzählt er. Auch als Risikokapitalgeber war er selbst tätig. Bei einer Reise nach Jerusalem lernte er schließlich Ourcrowd kennen – ein israelisches Investorennetzwerk, das 2013 startete genau das zu machen, was Primecrowd jetzt macht. (Andreas Danzer, 5.8.2018)