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PRO: Zu heiß ist zu heiß

von Aloysius Widmann

Die europäische Aufklärung wäre für Klimaanlagen gewesen! Allerdings aus sehr fragwürdigen Gründen. Montesquieu und Kant führten das Temperament der Menschen auf die Außentemperaturen zurück. Im Süden sei es zu warm, das habe die "Schwarzen" mit der Zeit zu "triebischen Hitzköpfen" gemacht. Die Menschen im Norden seien "unnahbar und frostig wie ihr Klima". Europa sei der ideale Ort in der Mitte, die Menschen "maßvoll und besonnen". Von solchen rassistischen Sichtweisen haben wir uns zum Glück verabschiedet.

Trotzdem sind Klimaanlagen gut. Es gibt ein "Zu heiß", so wie es ein "Zu kalt" gibt. Deshalb heizen wir im Winter. Deshalb dürfen wir im Sommer kühlen. In Maßen, versteht sich, und mit der klimafreundlichsten Technologie. Lee Kuan Yew, Gründungsfigur des tropischen Stadtstaats Singapur, nannte die Klimaanlage einst eine der wichtigsten Erfindungen überhaupt. Die Lufttemperatur in allen öffentlichen Gebäuden zu regulieren habe den öffentlichen Dienst erst effizient gemacht. Man könne in den Tropen an vielen Tagen sonst nur in den kühlen Morgen- oder Abendstunden arbeiten.

In Österreich sind nur wenige Tage im Jahr so heiß. Aber die haben es in sich. Fenster zu, Klimaanlage an, statt nach kühlem Nass lechzend und schweißdurchnässt den Feierabend herbeizusehnen und nachts nicht schlafen zu können. Das ist unproduktiv und ungesund. (Aloysius Widmann, 3.8.2018)

KONTRA: Unsolidarisch

von Irene Brickner

Der Siegeszug der Klimaanlage ist wohl auch in unseren Breitengraden nicht mehr aufzuhalten. Jede hartnäckige Hitzewelle überzeugt weitere Mitmenschen von den angeblichen Meriten der energiefressenden Kühlung. Und tatsächlich ist ertragsorientierte Arbeit in den wärmsten Stunden des Tages ohne Senkung der Innentemperatur nur schwer möglich.

Für die Ursachenbekämpfung der zunehmenden Schweißtreiberei ist das jedoch eine schlechte Nachricht: Klimaanlagen und Kühlgeräte fressen Energie, deren Erzeugung vielfach immer noch den Ausstoß von CO2 erhöht.

Damit verstärken die smarten Geräte zum Wohle Einzelner das Problem der Klimaerwärmung, vor dem die Gesellschaft als Ganzes steht: ein Umstand, der die Verwendung der Kühlung zu einem Symptom des Lebens in der modernen, unsolidarischen Ego-Gesellschaft macht.

Deren dunkle Seiten kennt jeder, der je bei 35 Grad zu Fuß am Klimaanlagenfilter eines größeren Geschäftslokals, Betriebs oder Beisels vorbeikam: Die ausgestoßene heiße Luft, Gegenpart der Kühle im Inneren des Gebäudes, raubt Passanten zusätzlich den Atem. Das treibt die Temperaturen der Städte weiter in die Höhe.

Und wer während einer Hitzeperiode abends in der Hoffnung auf Frischluft das Fenster seines Schlafzimmers öffnet und das nervtötende Brummen des Klimageräts eines Nachbarn vernimmt, entwickelt moderne Gefühle: Frust in Zeiten des Klimawandels. (Irene Brickner, 3.8.2018)