Die IG Metall hat beim Siemens-Umbau viel mitgeredet.

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Wien – Die einschneidendsten Veränderungen sind bei Siemens in Österreich längst erledigt oder auf Schiene: die Ausgliederung der Medizintechniksparte mit Magnetresonanz-Tomografen und Röntgengeräten in den inzwischen börsennotierten Konzern Healthineers und die Zusammenlegung der Transportation Systems im Gemeinschaftsunternehmen Siemens Alstom.

Letzteres steht in seinen operativen Grundzügen, es fehlt aber noch die Zustimmung dutzender Kartellbehörden, die in jedem einzelnen betroffenen Land für jeden Teilbereich – von Signal- bis Fahrzeugtechnik – ihren Sanktus zur Bildung des deutsch-französischen Verkehrstechnikriesen geben müssen. Konkret betroffen vom Transfer sind, wie berichtet, das Mobility-Management in der Siemens-City in Wien-Floridsdorf sowie die Werke in Wien-Simmering und Graz mit insgesamt 2700 Mitarbeitern. Geht das zwischen Paris und Berlin paktierte Joint Venture Siemens Alstom mit Sitz in Paris durch, was niemand bezweifelt, schrumpft das Kerngeschäft der Siemens-Gruppe in Österreich auf rund 7700 Beschäftigte.

Nähe zum Markt

Sie werden von der nächsten Runde des Konzernumbaus vermutlich nur indirekt betroffen sein. Denn wohl wandert die Führung wichtiger Unternehmensbereiche ins Ausland, die Landesgesellschaften dürften aber mehr oder weniger unverändert bleiben, um Nähe zu den Märkten (und vor allem zu den öffentlichen Auftraggebern) zu erhalten. Innerhalb der Landeseinheit wird es wohl Umorganisationen geben, werden doch die fünf Sparten in drei operative Einheiten umgruppiert: Gas und Energie, Smarte Infrastruktur und Digitale Industrie.

Die Energiesparte mit weltweit 71.000 Mitarbeitern und 21 Milliarden Euro Umsatz soll ihren Sitz im Zentrum der US-Ölindustrie in Houston (Bundesstaat Texas) haben. Was wohl auch mit der aggressiven Handelspolitik von Präsident Donald Trump zu tun haben dürfte. Außerdem ist in Europa mit Gaskraftwerken derzeit kein Staat zu machen, mit billigem Schiefergas in den USA hingegen schon. "Mit diesem ganzen Handelszeug sind Unternehmen gezwungen, lokal zu werden", kommentierte Siemens Konzernchef Joe Kaeser die Weltlage.

Infrastruktur in der Schweiz

Etwa gleich viele Beschäftigte, aber mit 14 Milliarden Euro ein Drittel weniger Umsatz wird die Infrastruktur-Einheit haben, die seit jeher im Niedrigsteuer-Kanton Zug in der Schweiz domiziliert war und auch künftig bleibt.

Als Überraschung gilt, dass die dritte Einheit, das digitale Industriegeschäft (78.000 Mitarbeiter, 14 Milliarden Euro Umsatz) – von Kaeser als "Diamant" bezeichnet – nach Nürnberg reportieren wird. Erlangen, das industrielle Kraftzentrum und heimliche Stammhaus des bayerischen Technologiekonzerns, kommt hingegen in der neuen Struktur mit keiner Silbe vor. Die Siemens-Zentrale bleibt am Wittelsbacher Platz in München, soll aber "schlanker" werden. Ein neuerlicher Personalabbau des Unternehmens mit weltweit rund 377.000 Beschäftigten sei mit der Strategie "Vision 2020 plus" ab 1. Oktober nicht verbunden, eher würden zusätzliche Mitarbeiter gesucht, sagte Kaeser, der aber nicht ausschloss, Siemens irgendwann doch in eine Holding mit drei eigenständigen Geschäftsbereichen umzubauen. Verhindert hat dies die IG Metall. Ein Abverkauf oder eine Filetierung des Konzerns ist künftig trotzdem einfacher als jetzt.

Es wäre aber nicht Siemens, würde die neue Struktur einfacher. Denn daneben werden noch Interne Dienstleistungen, Finanzen und Immobilien gebündelt. (ung, 5.8.2018)