Die "neue" Frankfurter Altstadt.

Foto: DomRömer GmbH

Im September wird die Altstadtrekonstruktion, das DomRömer-Quartier, groß gefeiert.

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Dieser Tage kann man das Phänomen wieder beobachten. Frankfurt am Main feiert seine – "wiedergeborene" Altstadt – aber nicht zur Zufriedenheit aller. Anstelle des Technischen Rathauses, eines seinerzeit preisgekrönten brutalistischen Baus der 1970er-Jahre, sind in den vergangenen Jahren Teile der ehemals berühmten Frankfurter Altstadt rekonstruiert worden – alles in allem 15 Häuser. Dazu kommen 17 "hybride" Häuser, deren Fassaden historischen Vorbildern bloß von der Proportion her in angenäherter Form entsprechen. Im September soll es ein großes Eröffnungsfest geben – aber nicht alle sind in Festesstimmung. Wieder einmal wird nämlich mit dem Vorwurf des Faschismus Schindluder getrieben und so der politischen Rechten durch die absurde Logik ihrer Gegner die Gelegenheit geboten, sich den Anliegen und kulturellen Auffassungen breiter Mittelschichten anzubiedern. – Der Fall verdient nähere Betrachtung.

Malerische Altstadt

Frankfurt am Main verfügte bis zum Zweiten Weltkrieg als Krönungsstadt der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs über eine vielhundertjährige, malerische Altstadt. In der Zwischenkriegszeit war diese allerdings bereits ziemlich herabgekommen: Es fehlte an Licht, Luft, Sonne und Grün. Eine "progressive" Stadtregierung und ihr Stadtbaudirektor Ernst May sahen hier deshalb in den 1920er-Jahren größere Flächenabrisse vor – und verfehlten dabei offensichtlich die Wünsche der Bürger. Ein "Bund der Altstadtfreunde" trat dagegen zwar auch für mehr Sonnenlicht und Grün ein, aber er verfocht gleichzeitig auch die sanfte Revitalisierung des historischen Viertels, also die behutsame Entkernung allzu eng verbauter Hintertrakte, die Schaffung von Hofgärten sowie die Erhaltung des historisch wertvollen Baubestands. Auch einzelne Rekonstruktionen verloren gegangener Bauten waren vorgesehen.

Und was geschah? Die politische Rechte vereinnahmte die vernünftige Position des Altstadtvereins, so wie sie auch andere vernünftige Ideen und Projekte vereinnahmte und daraus politisches Kapital schlug. Nach seiner Machtergreifung proklamierte das NS-Regime also geschickt die "Gesundung" der Frankfurter Altstadt und bekam recht: Das vernachlässigte, enge Stadtviertel wurde binnen weniger Jahre zum Tourismusmagnet, vergleichbar mit dem heute wieder aufgebauten Dresden, die sanierten Häuser wurden zu hochgeschätzten Immobilien. Zu den vorgesehenen Rekonstruktionen kam es allerdings nicht mehr, denn Adolf Hitler begann seinen selbstzerstörerischen Krieg. Und nach dem Bombenangriff vom 22. März 1944 war von der Frankfurter Altstadt wenig übrig.

Abriss und Aufbau

Nach dem Krieg gab es einen großen Streit, ob man das zerlegte Frankfurter Geburtshaus Johann Wolfgang von Goethes wieder aufbauen dürfe, unter anderem sprachen sich der Philosoph Karl Jaspers und der Dichter Hermann Hesse deutlich dafür aus. Goethe war ja nun wahrlich kein Faschist, viel eher ein früher Repräsentant des "Besseren Deutschland". Das Goethehaus wurde 1947–1951 wieder aufgestellt. In den 1980er-Jahren wurde auch die Ostseite des zentralen Römerbergs mit ihren stattlichen Fachwerkhäusern rekonstruiert, trotz scharfer Kritik aus Architektenkreisen. 2007 entschloss sich schließlich eine christdemokratisch-grüne Stadtverwaltung, das von der Bevölkerung abgelehnte Technische Rathaus abzureißen und an seiner Stelle zumindest einen Teil der verlorenen Altstadt dem äußeren Schein nach wieder zu errichten. So geschah es. Aber die Stimmen, hier handle es sich um einen "populistischen" Beschluss, waren nicht zu überhören. Auch die Erhaltungswürdigkeit des brutalistischen Rathausgebäudes wurde vor allem von Architektenseite reklamiert.

Nostalgiearchitektur

Man mag hier von Nostalgiearchitektur, von einer Art Disneyland, ja von unehrlichem Illusionismus, sprechen. Darin liegt ein Körnchen Wahrheit. Aber allzu oft taucht auch in solchen Diskussionen die ausschließliche, irreführende und ungerechte Assoziation baulicher Rekonstruktion mit Ideen der politischen Rechten auf. – Der Gaul wird dabei verkehrt aufgezäumt.

Schon das Wort populistisch kann als wertbelasteter Schimpfbegriff gelten. Wo aber Kulturprogressive wie Stefan Trüby von Arch+ die Etablierung einer Art von Wächterrat fordern, um die rechtspopulistische Unterwanderung von Rekonstruktionsinitiativen zu kontrollieren, kommt der Kontrollversuch als antidemokratischer Bumerang wieder retour. Hanno Rauterberg wundert sich im Mai in der "Zeit" über die Auffassung, in der neuen Frankfurter Altstadt nisteten rechtsnationale Ideologien, und sieht in den heute so beliebten Rekonstruktionsvorhaben eher die Sehnsucht nach "Trost Heiterkeit und Tradition" am Werk. Ihm ist recht zu geben.

Wachsamkeit ist geboten. Gerade dort, wo die Faschismuskeule am eifrigsten und in absurdester Weise geschwungen wird, verstärkt sich die Gefahr, dass dies im Endeffekt Widerstand stimuliert, also eben das gefördert wird, was man zu bekämpfen vermeint. Und so öffnet man die Tür jenen Ideen, die man eigentlich zu überwinden hoffte. (Robert Schediwy, 8.8.2018)