Von bis zu 30 Prozent Rabatt auf Neuwagen ist derzeit die Rede. Über einen deutlich günstigeren Preis wollen demnach Autohäuser noch schnell jene Pkws, die nicht den aktuellsten Abgasnormen Euro 6c und der noch strengeren Euro 6d temp entsprechen, an den Mann bringen. Die Zeit drängt, denn ab 1. September dürfen diese Autos in Europa nicht mehr neu angemeldet werden. Ist es jetzt Zeit für ein Schnäppchen?

"Es ist aktuell sicher ein guter Zeitpunkt, zum Händler zu gehen, wenn der Kunde sich rasch für ein neues Fahrzeug entscheiden möchte und flexibel bei Modell, Motorisierung und verfügbarer Ausstattung ist", erfahren wir bei Porsche Austria, Importeur der Marken Volkswagen, Audi, Škoda, Seat. Lamborghini, Bentley und natürlich Porsche. Doch gezielte Aktionen zum 1. September gibt es bei Österreichs größtem Autohändler nicht.

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John Swanton, Sprecher des California Air Resources Board bei der Messung eines 2013er Passat.
Foto: AP

Wir machen Stichproben und besuchen drei Händler anderer Marken in Wien, Burgenland und der Steiermark und finden ein einziges Fahrzeug, das tatsächlich neu ist, die Euro 6c nicht erfüllt und mit rund 30 Prozent rabattiert ist. Da darf man dann wirklich nicht wählerisch sein.

"Wir haben kein Fahrzeug am Hof, das ab 1. September nicht angemeldet werden könnte", sagt Albert Ornig, Ford-Händler in der Steiermark. Mehr Kunden im Geschäft, die auf Schnäppchenjagd sind, registriert er auch nicht. Aber er gibt zu bedenken, dass Autos ab 1. September teurer werden. Grund dafür ist die steigende Nova, die Normverbrauchsabgabe. Diese erhöht sich natürlich mit dem im neuen Zyklus gemessenen höheren Verbrauch.

Historie der Abgasnormen

Bereits 1970 traten in Europa die ersten einheitlichen Abgasvorschriften in Kraft, wobei die Schadstoffe pro zurückgelegtem Kilometer gemessen werden. Damals beschränkte man sich auf die Begrenzung der Emissionen von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffen. 1974 kam es zu einer ersten Verschärfung. 1977 zu einer weiteren, bei der dann auch die Emission der Stickstoffoxide begrenzt wurde. 1988 wurden erstmals Grenzwerte für Rußpartikel für Dieselmotoren definiert.

Am 1. Juli 1992 trat die Euro 1 in Kraft, bei welcher der Ausstoß für Diesel- und Benzinmotoren auf maximal 2720 mg Kohlenmonoxid und 970 mg Kohlenwasserstoffe und Stickoxide pro gefahrenem Kilometer begrenzt wurde. Für Dieselmotoren galt zudem ein Grenzwert von 140 mg Feinstaub pro Kilometer. Gemessen wurde nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus, dem NEFZ.

So oder so ähnlich stellt sich die Fama die Hinterhöfe der Autohändler vor,
voll mit Fahrzeugen, die ab 1. September nicht mehr zugelassen werden können. Allein, die Realität ist eine andere.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Der Dieselskandal lenkte die Aufmerksamkeit auf den NEFZ und das Kuriosum, dass die ermittelten Werte auch ohne Abschaltvorrichtungen fern der Realitätsverbräuche sind. Mit einem neuen Fahrzyklus sollte dieser Umstand bereinigt werden und die Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure, kurz WLTP, wurde entwickelt. Dieser Messzyklus dauert nun länger, führt bei höherer Geschwindigkeit über längere Distanzen, und ihm liegt eine deutlich höhere Arbeitsleistung zugrunde.

Damit fallen die gemessenen Werte deutlich höher aus als im NEFZ. Was sich aber seit der letzten NEFZ-Norm Euro 6b zur ersten WLTP-Norm Euro 6c (und der Euro 6d temp, die noch einen Realfahrbetriebs-Grenzwert angibt) nicht geändert hat, sind die Grenzwerte für Emissionen. Sie liegen nun für Ottomotoren pro Kilometer bei 1000 mg Kohlenmonoxid, 100 mg Kohlenwasserstoffe, 60 mg Stickoxide – sowie 4,5 mg Feinstaub und 6 x 10 12 Partikel, so der Motor über eine Direkteinspritzung verfügt.

Dieselmotoren dürfen demnach noch 500 mg Kohlenmonoxid, 170 mg Kohlenwasserstoffe und Stickoxide emittieren, wobei die Stickoxide maximal 80 mg ausmachen dürfen. Die Werte für die Partikelanzahl und die Feinstaubmenge sind gleich wie bei Benzinmotoren mit Direkteinspritzung.

Grafik: der Standard

Die seit 2014 geltenden Werte, mit dem neuen Fahrzyklus gemessen, sind die Grundlage, die Fahrzeuge nun erfüllen müssen, wenn man sie ab dem 1. September 2018 in Europa zum ersten Mal zulassen möchte. Daraus ergibt sich der Druck, Autos, welche Euro 6c nicht schaffen, schnell loswerden zu wollen. Ein weiterer ist, dass die Autos künftig teurer werden.

Teuerung in Etappen

Der Preisanstieg erfolgt dabei in zwei Schritten. Bis Ende 2019 wird der WLTP-Verbrauch auf den NEFZ-Wert zurückgerechnet. Dabei kommt es zu Ungenauigkeiten, die eine Nova-Erhöhung von bis zu zehn Prozent ausmachen. Danach gelten die hohen WLTP-Werte für die Berechnung der Nova.

Noch ein Kuriosum gibt es beim Umstieg am 1.9. auf den neuen Zyklus: So müssen nicht alle Fahrzeuge eines Herstellers, die danach neu zugelassen werden, zumindest die Abgasnorm Euro 6c erfüllen – für zehn Prozent der Fahrzeuge gibt es eine Ausnahmeregelung, was den Druck auf Händler und Importeure dramatisch senkt.

Bleibt die Frage: Soll man sich jetzt schnell ein Auto kaufen, das nicht einmal der Abgasnorm Euro 6c entspricht, nur weil es günstig ist? Die Autofahrerklubs raten aus Umweltschutzgründen und aus Angst vor Fahrverboten ab.

Käme bei uns ein Fahrverbot wie in Hamburg, wären fast 90 Prozent der Dieselfahrzeuge betroffen.

Die Umweltfrage ist allerdings schnell geklärt. Es ist umweltfreundlicher, ein bereits gebautes Auto zu fahren, als den Wagen zu verschrotten und dafür einen neuen zu bauen. Ein Großteil der Emissionen eines Autos fällt immerhin bei der Herstellung an.

Dieselbestand in Österreich

Fahrverbote sind in Österreich auch kein Thema. Ehe diese kommen, scherzen Experten, fahren wir legal 160 km/h auf der Autobahn. Doch sollten diese Annahmen falsch sein, trifft das Fahrverbot wohl nicht aktuelle Neuwagen der Abgasnorm Euro 6, die bereits seit 2014 gilt, sondern Euro-4- und Euro-5-Diesel. Davon sind nach Schätzungen des ÖAMTC derzeit 751.455 (Euro 4) und 887.116 (Euro 5) in Österreich zugelassen. Käme ein Fahrverbot wie in Hamburg auch bei uns, wären fast 90 Prozent der Diesel betroffen. (Guido Gluschitsch, 6.8.2018)