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Die Vergoldung von EU-Regelungen in Österreich soll Stück für Stück abgeschliffen werden.

Foto: Reuters / Ilya Naymushin

In Österreich wurden viele Mindeststandards der EU besser umgesetzt als nötig, auch Gold Plating genannt. Diese Rolle als Musterschüler soll fallen, kündigte Justizminister Josef Moser (ÖVP) Anfang April an. 489 Punkte wurden, wie berichtet, gefunden, bei denen es Änderungen geben soll. Betroffen sind auch Transparenzvorschriften und der Gläubigerschutz, wie sich zeigt.

Jahresabschlüsse

So gibt es in Österreich strenge Regeln bezüglich des Jahresabschlusses. Diesen muss ein Unternehmer innerhalb von neun Monaten erstellen und in der Wiener Zeitung sowie im Firmenbuch veröffentlichen. Künftig sollen die Unternehmer dafür zwölf Monate Zeit bekommen. "Damit leidet die Aktualität eines solchen Berichts", kritisiert Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung für Betriebswirtschaft der Arbeiterkammer Wien. Das vermindere auch die Transparenz für Gläubiger, Investoren oder Lieferanten, weil diese erst später Einblick nehmen können als bisher. Hinzu kommt, dass in der Liste mit Änderungsvorschlägen, die von der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung, Wirtschaftsprüfern und anderen an die Regierung geschickt wurde, auch inhaltliche Veränderungen angedacht sind. Somit würde die Informationsdichte abnehmen.

Ein Beispiel: Im Unternehmensgesetzbuch ist festgeschrieben, dass der Wirtschaftsprüfer unverzüglich zu berichten hat, wenn bestimmte Kennzahlen über- bzw. unterschritten werden. Das ist der Fall, wenn die Eigenkapitalquote weniger als acht Prozent beträgt und/oder die Verschuldungsdauer mehr als 15 Jahre (§ 273 Abs. 3 UGB). Ziel der Angaben ist es, den Aufsichtsrat rechtzeitig zu informieren und Maßnahmen einzufordern, um eine Insolvenz zu vermeiden. Ist das Eigenkapital negativ, muss im Jahresabschluss ausgeführt werden, ob dies insolvenzrechtliche Folgen hat. Diese Anmerkungen sollen auf Wunsch der Industrie gestrichen werden. "Ich verstehe nicht, wo hier der Vorteil sein soll", ärgert sich Leitsmüller. Mit den bisherigen Alarmsignalen konnte der Aufsichtsrat um "fünf vor zwölf" noch eingreifen. Die Organe konnten ob dieser Angaben auch nicht so tun, als ginge es dem Unternehmen gut.

Zu kurzfristig gedacht

Es sei laut dem AK-Experten auch ein Zeichen der Good Governance, auf eine Problemlage hinzuweisen. Argumentiert wird der Wegfall dieser Angaben mit den hohen Kosten der Berichterstellung. "Das ist sehr kurzfristig gedacht", sagt Leitsmüller. Langfristig sei der Nutzen wesentlich höher – etwa, wenn Insolvenzen noch vermieden werden können, was auch Arbeitsplätze sichert.

Eine deutliche Verschlechterung in puncto Transparenz ortet der AK-Betriebswirt auch bei den sogenannten XL-Unternehmen. Das sind jene Großbetriebe, die nicht an der Börse notieren und deren Umsatz mehr als 200 Millionen Euro ausmacht bzw. die Bilanzsumme mehr als 100 Millionen Euro erreicht. Dazu zählen etwa Billa, Siemens oder Red Bull. Diese Unternehmen werden derzeit in den Punkten Information an den Aufsichtsrat und Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers wie börsennotierte Betriebe behandelt. So müssen XL-Unternehmen im Aufsichtsrat auch einen Prüfungsausschuss einrichten. Beides soll abgeschafft werden.

Rotationsprinzip der Wirtschaftsprüfer

"Mit der Abschaffung des Prüfungsausschusses ist eine vertiefte Prüfung der Finanzen nicht mehr vorgesehen", sagt Leitsmüller. Der Aufsichtsrat müsse dann auch keinen Zusatzbericht mehr vom Wirtschaftsprüfer bekommen, in dem etwa Schwächen des internen Kontrollsystems, Verstöße gegen Rechtsvorschriften oder Sachverhalte, die auf eine Gefährdung des Unternehmens hinweisen, enthalten sind.

Gelockert werden soll auch das Rotationsprinzip der Wirtschaftsprüfer bei börsennotierten Unternehmen. Dieses wurde im Zuge der Finanzkrise eingeführt und soll dazu beitragen, dass der Wirtschaftsprüfer möglichst unabhängig vom geprüften Unternehmen agiert. Aktuell muss die Wirtschaftsprüfungskanzlei alle zehn Jahre gewechselt werden. Der österreichische Gesetzgeber hat es aber erlaubt, dass einmal im Rahmen der Umsetzung der Abschlussprüferverordnung die zehn Jahre in Form von Übergangsbestimmungen verlängert werden dürfen – auf maximal 20 Jahre. Dies soll nun aufgehoben werden und generell eine externe Rotation erst nach 20 Jahren bzw. sogar erst nach 24 Jahren (wenn gemeinsam mit einem zweiten Prüfer geprüft wird) ausgedehnt werden. Das wiederum führe den Punkt Unabhängigkeit ad absurdum, beklagt Leitsmüller.

In Summe ist es laut Leitsmüller "nicht erstrebenswert, im Wirtschaftsrecht auf EU-Mindeststandards zurückzufahren". Ein Wirtschaftsrecht, das sich bei Gläubigerschutz, Transparenz und Good Governance von EU-Mindeststandards abhebe, sei ein Wettbewerbsvorteil und fördere das Vertrauen in den Standort Österreich. (Bettina Pfluger, 6.8.2018)