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Horst Seehofer beim Sommerinterview mit dem Ersten.

Foto: REUTERS/Joachim Herrmann

"Hoakl iss er worn", sagt man in Bayern, wenn einer so ist wie Horst Seehofer gerade. Heikel also auf hochdeutsch – und übersetzt: empfindlich. Und ja, der CSU-Vorsitzende und Bundesinnenminister dürfte sich nicht beschweren über dieses Urteil. Konjunktiv – weil er sich ja häufig und bitter beklagt seit seinem Wechsel aus München nach Berlin. Das jüngste Lamento sendete am Sonntagabend die ARD. Es ist kein neues, sondern die aktuelle Version einer Seehofer’schen Dauerklage: Es wird ihm Unrecht getan.

So hat die Deutschland Seehofer in der heißesten Phase des heißen Streits um die Asylpolitik zwischen ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel so verstanden, dass er sich ihrer Richtlinienkompetenz nicht fügen wolle. Nein, nein, sagt Seehofer nun, die müsse man "als Regierungsmitglied immer" akzeptieren. Wieso es dann alle Zeitungen anders meldeten, alle Sender anders sendeten? "Ja", beschwert sich Seehofer, "weil man immer nicht richtig zuhört und es auch nicht richtig wiedergibt."

Worum es ihm geht, hat Seehofer schon Mitte Juli in einem Interview mit der "Augsburger Allgemeinen" erstmals zu Protokoll gegeben. Es laufe "eine Kampagne" gegen ihn. Und, sagte er: "Jeder, der es sehen will, sieht."

"Ich bin da sehr sensibel"

Nun, gut zwei Wochen später, sieht der geneigte Zuschauer, wie Seehofer an die Klage des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, über die Verrohung des politischen Diskurses erinnert wird. Und unter Verweis auf Voßkuhles Vorwurf einer "nicht akzeptablen Rhetorik", der allgemein als an die CSU adressiert verstanden wurde, gefragt wird, ob er vielleicht irgendetwas bereue. Und das Publikum hört Seehofer antworten: "Also wirklich, ich bin da sehr sensibel." Und: "Ich habe mich da genau geprüft." Und: "Ich komme nicht zu dem Ergebnis, dass hier falsche Sätze geprägt worden sind." Vielmehr, klagt Seehofer, sei er und sei die CSU abqualifiziert worden. "Wir sind in Bezug gesetzt worden zu Mördern, zu Nazis, zu Rassisten. Da hat sich überhaupt niemand drum gekümmert."

Nun ist daran zweierlei nicht ganz korrekt. Zum einen wurde von Seehofers Klagen sehr wohl geschrieben und gesendet. Zum anderen waren solche Begriffe in den sozialen Netzwerken zu lesen; Seehofer aber geht es nicht um Facebook oder Twitter. Konkret auf seine Bemerkung zu den 69 an seinem 69. Geburtstag abgeschobenen Afghanen angesprochen und gefragt, ob er kein Verständnis habe dafür, dass der Satz allgemein als zynisch aufgefasst wurde, kontert Seehofer: "Wenn man es so zur Kenntnis nimmt, wie gerade über die Öffentlich-Rechtlichen" verbreitet worden sei – dann habe das Publikum ja kaum eine andere Möglichkeit gehabt. Ihm sei es lediglich darum gegangen, dass die Zahl der Abschiebungen steige – "aber nicht als Geburtstagsgeschenk oder mit großem Wohlgefallen".

Schon am Donnerstag hat sich Seehofer ähnlich beklagt. Nicht in Berlin im Fernsehen, sondern in daheim in Bayern, im Bierzelt. "Ich kann fast keinen Tag aufstehen, ohne dass ich wieder mit einer Fake News konfrontiert bin." Wer da nicht an Donald Trump denken musste, pfeift auf Politik. Er werde jetzt selbst twittern, kündigte Seehofer an: "Ich sehe mich dazu gezwungen, weil ich manche Wahrheiten sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bringe." (Cornelie Barthelme aus Berlin, 5.8.2018)