Wien – Will man etwas über die Umsetzung zeitgenössischer Managementgrundsätze erfahren, ist man im Diebstahlsprozess gegen Darica Z. und Zarko J. (Namen geändert, Anm.) gut aufgehoben. "Da gibt es viel mehr Chefs als Mitarbeiter bei der Post", erklärt ein Zeuge beispielsweise lachend auf die Frage nach Aufsichtspflichten. Verteidiger Werner Tomanek drückt es noch drastischer aus: "Da gibt es lauter Häuptlinge und keine Indianer." Und die Häuptlinge haben offenbar wenig Ahnung, dass Untergebene penibel ausgetüftelte Abläufe geflissentlich ignorieren.

Z. und J. sind verheiratet und haben bei der Post.Wertlogistik GmbH gearbeitet. Als "Supervisoren", wie heute Schichtleiter genannt werden. Zwischen August 2015 und Februar 2017 soll das Duo dabei rund 130.000 Euro gestohlen haben, wie ihnen die Staatsanwältin vorwirft. Nur: Das Geld ging nie jemandem ab.

Bei der vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Stefan Romstorfer verhandelten Geschichte geht es um sogenannte Safebags. In diesen versiegelten Kunststoffsäckchen wurden Münzen und Scheine angeliefert, gezählt, quittiert und weitergeleitet.

Blindes Vertrauen des Großkunden

Interessanterweise gab es einen großen Kunden, der rund 200 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht, der der Post offenbar blind vertraut hat: Auf den Safebags befanden sich keine Soll-Werte – niemand wusste also, wie viel Geld geliefert wurde.

Das soll sich das unbescholtene Ehepaar zunutze gemacht haben. Die Säckchen kamen zuerst in die Münzzählabteilung, in der Herr J., 39 Jahre alt, Supervisor gewesen ist. Frau Z. war sein Pendant in der Banknotenzählabteilung. Waren in einem Safebag Münzen und Scheine gemischt, wurden letztere zunächst erst in der Münzabteilung gezählt und dann an die Banknotenabteilung geschickt.

Dort wurde neuerlich gezählt, gelegentlich entstanden Differenzen. Bei bis zu 2.000 Safebags pro Tag mindestens zehnmal, behauptet die Erstangeklagte. "Bis zu 70 Euro Differenz konnte ein Mitarbeiter allein bestätigen", erzählt Z. dem Senat.

Nicht vorgesehene "Handkassa"

Man sei dazu übergegangen, Überschüsse in einer Truhe zu verwahren, wenn bei anderen Safebags desselben Kunden eine Differenz herauskam, habe man das aus dieser eigentlich nicht vorgesehenen "Handkassa" wieder ausgeglichen. "Ist das die ordnungsgemäße Vorgehensweise?", fragt der Vorsitzende. "Am Anfang ja, es hat sich ja niemand ausgekannt", hört er von der Erstangeklagten.

Die 40-Jährige gibt aber zu, manchmal einen Fünf- oder Zehn-Euro-Schein gestohlen zu haben. "Aber es waren in den eineinhalb Jahren nur 15.000 bis 20.000 Euro", beteuert sie. Ihren Anteil der Beute habe sie "für Blödsinn verschwendet", ihr Mann seinen im Casino verspielt.

Die Anklage behauptet allerdings, ihr Gatte habe in der Münzabteilung zunächst bewusst eine falsche Anzahl an Scheinen eingegeben, damit in der Abteilung seiner Frau mehr Überschuss entstehe. Wie aber der angebliche Schaden von 130.000 Euro zustande kommt, kann niemand sagen: Der offenbar hauptbetroffene Großkunde wusste ja nicht, wie viel er angeliefert hatte, nachträgliche Änderungen bei der Zahl der Scheine waren damals in der Münzabteilung auch durch anderen Mitarbeiter möglich.

Seltsame "Vernehmung" durch Postermittler

Einzig der 39-jährige Herr J. hat diese Zahl genannt, bei der von Verteidiger Tomanek angeprangerten "Vernehmung" durch die internen Ermittler der Post. Die haben das Paar abgefangen, ihnen die Handys abgenommen und sie stundenlang getrennt in Zimmern warten lassen, sagen die Angeklagten.

Bei Herrn J. waren es laut Protokoll über zwölf Stunden, ehe er gegen zwei Uhr morgens sein "Geständnis" unterschrieb. "Wir sind ja nicht im Briefträger-Guantánamo!", echauffiert sich Tomanek. Tatsächlich könnte es ein Missverständnis gegeben haben, ob J. den hochgerechneten Schaden pro Monat oder pro Woche gemeint hat.

Auch Romstorfer hält die Vorgangsweise der Revisoren für "äußerst fragwürdig", wie er in seiner Begründung erklärt. Wie Tomanek wundert er sich auch, dass niemandem das Geld abgegangen sei – egal ob 15.000 oder 130.000 Euro. Das beide bewusst an der Malversation beteiligt waren, glaubt der Senat aber schon und verurteilt beide nicht rechtskräftig zu je fünf Monaten bedingt.

Zusätzlich müssen sie die eingestandenen 15.000 Euro Schaden an den Staat zahlen. Meldet sich der rechtmäßige Besitzer, bekommt er es zurück. Romstorfer rechnet nicht damit. (Michael Möseneder, 6.8.2018)