1,97 Meter groß, 149 Kilogramm schwer – der Oberösterreicher Lukas Weißhaidinger hat einiges in die Waagschale zu werfen.

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Berlin – Es gibt eine Ecke in Berlin, Nähe Tiergarten, da trägt fast alles den schönen Namen Lützow. Die Lützowstraße gibt es hier, das Lützowufer (am Landwehrkanal) und den Lützowplatz. Als Pate stand der berühmte preußische Generalmajor Ludwig Adolf Wilhelm Freiherr von Lützow – wer sonst? – sozusagen Gewehr bei Fuß. Lützow, geboren 1782 in der Stadt und gestorben 1834 ebenda, war ein waschechter Berliner und ein streitbarer Mann, er ging zeit seines Lebens keinem Kelch aus dem Weg.

"Jetzt ist er wirklich schon ein Herr!" Gregor Högler sagte das, aber nicht über den Generalmajor Lützow, sondern über den Diskuswerfer Lukas Weißhaidinger, der ein waschechter Innviertler ist. Weißhaidinger kommt aus Taufkirchen an der Pram im Bezirk Schärding, er lebt in Wien und trainiert in der Südstadt. Dieser Tage allerdings weilt er in Berlin, wo im berühmten Olympiastadion die Leichtathletik-EM in Szene geht. Untergebracht sind die Österreicher, die ein 16-köpfiges Team stellen, allerdings Nähe Tiergarten, quasi in der Lützow-Ecke. Und da stand Högler, jahrelang Weltklasse-Speerwerfer und selbst ein Restl, als Sportdirektor des Verbands (ÖLV) und Coach, und maß Weißhaidinger mit anerkennendem Blick. Was er sah, sind 1,97 Meter, auf die sich 149 Kilogramm verteilen. Weißhaidingers Oberschenkelumfang beträgt 78 Zentimeter – klarerweise nur für einen Oberschenkel, nicht für beide.

Ein erlesenes Feld

Am Dienstagvormittag warf Weißhaidinger Qualifikation. Es ging darum, 64 Meter zu übertreffen, um sich für das Finale am Mittwochabend zu qualifizieren. Der Oberösterreicher ist seit seinem fabelhaften Rekordwurf in Rehlingen (68,98 Meter) die Nummer drei der Jahresbestenliste. So gesehen erschien sein Ziel, eine Medaille zu holen, durchaus realistisch. Freilich konnte ein Blick auf die Teilnehmerliste nicht schaden. Ein derart erlesenes Diskus-Feld hatte noch keine EM zu bieten.

Drei Olympiasieger werden in den Kreis steigen, der Este Gerd Kanter (2008) sowie die deutschen Brüder Robert (2012) und Christoph Harting (2016). Robert Harting und Kanter haben auch WM-Gold geholt, zwei weitere Weltmeister kommen dazu, der Pole Piotr Malachowski und eben Gudzius. Und fünf weitere Werfer im Feld haben ebenfalls bereits olympische oder WM-Medaillen geholt.

Nur 62,26 in der Quali

Viele, viele Herren also, die da antreten, um eine der drei Medaillen zu holen. Punkto Edelmetall kann sich Weißhaidinger bis dato ein Scheibchen abschneiden, da steht der Olympiafünfte von Rio de Janeiro 2016 mit leeren Händen da. "Noch", wie Högler betont, denn: "Lukis Tag wird kommen." Ob dieser Tag der morgige Mittwoch ist, bleibt abzuwarten. In der Qualifikation kam Weißhaidinger mit dem besten seiner drei Versuche über 62,26 Meter nicht hinaus, belegte damit in seiner Gruppe Rang sechs und letztlich Rang elf. Das reichte knapp fürs Finale am Mittwoch (20.20 Uhr).

Olympiasieger Harting draußen

"Ich weiß nicht, woran es gelegen ist", sagt Weißhaidinger. "Ich habe keine Erklärung." Nicht anders ging es allerdings dem deutschen Olympiasieger Christoph Harting und dem polnischen Ex-Weltmeister Piotr Malachowski, die gar das Finale verpassten. Da will Weißhaidinger "zeigen, was ich wirklich draufhabe".

Prinzipiell legt Weißhaidinger, den ein durchaus feiner, trockener Humor auszeichnet, Wert auf die Feststellung, "dass nicht auf dem Papier, sondern im Stadion geworfen wird". Und prinzipiell verbinden hn mit diesem Stadion im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf sehr gute Erinnerungen. Hier hat er 2016 beim traditionellen ISTAF-Meeting einen wichtigen Sieg davongetragen. Seit seinem Erfolg beim ISTAF-Indoor im Vorjahr ist Weißhaidinger gar der einzige Nichtdeutsche, der diese beiden Konkurrenzen für sich entscheiden konnte.

Herkules und das Ufer

Kurz: Berlin hat als ein guter Boden für Weißhaidinger zu gelten. Draußen im Olympiastadion und drinnen in der Lützow-Ecke. Natürlich gibt es auch ein Hotel Lützow, seltsamerweise steht es weder am Lützowufer noch in der Lützowstraße oder am Lützowplatz. Sondern in der Keithstraße. Egal. Ein Fingerzeig könnte eher sein, dass gegenüber vom Lützowufer, also auf der anderen Seite des Kanals, das Herkulesufer liegt. Herkules, noch so ein Herr. (Fritz Neumann, 6.8. 2018)