Unter den Ausreisewilligen lassen sich insbesondere Familiennachzügler durch strenge Visaregelungen nur sehr bedingt abhalten. Viele von ihnen wählen statt der legalen Einreise dann eben den Weg der illegalen Immigration.

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London/Wien – Mit dem Thema Migration lassen sich Wahlkämpfe gewinnen. Und es wird in den nächsten Jahren – man denke angesichts der Hitze nur an die Klimaflüchtlinge – als Problemfeld heiß bleiben. Zwar gehört Österreichs Einwanderungspolitik längst zu den restriktivsten in Europa: So arbeitet die Regierung weiterhin an Verschärfungen – dank EU-Vorsitzes auch verstärkt auf europäischer Ebene.

Die Grundannahme, die einer solch strengen Politik – egal ob nun von der Regierung Trump in den USA oder von Kurz in Österreich – zugrunde liegt, ist klar: Möglichst strenge Immigrationsregelungen sollen die Zahl insbesondere der Wirtschaftsmigranten am besten auf null reduzieren.

Illegale statt legale Migration?

Doch lassen sich die Migrationswilligen in ihren Herkunftsländern durch strenge Visaregelungen wirklich abhalten? Tatsächlich gehen viele Experten davon aus, dass eine besonders strenge Politik im Wesentlichen nur dazu führt, dass die illegale Immigration weiter ansteigt.

In Wahrheit tappen aber sowohl Politiker wie Experten in dieser Frage weitgehend im Dunkeln: Denn trotz der Bedeutung des Themas – und der Überzeugtheit, mit der Politiker auf abschreckende Effekte setzen – gibt es ganz wenige empirische Untersuchungen dazu. Was nicht zuletzt daran liegt, dass die Grundannahme empirisch einigermaßen unmöglich zu überprüfen ist.

Das liegt in der Natur der Sache, bestätigt Cassilde Schwartz: "Es ist sehr schwierig, illegale Migration zu untersuchen, da sie heimlich erfolgt und empirisch kaum beobachtet werden kann." Gemeinsam mit Miranda Simon sowie weiteren Kollegen des University College London und der Uni Birmingham hat sie bezüglich dieser Schlüsselfrage der Migrationspolitik nun dennoch halbwegs belastbare Zahlen ermittelt, die ein differenziertes Bild zeichnen.

Weiterverarbeitete Daten aus Jamaika

Die Forscher haben für ihre im angesehenen Fachblatt "PNAS" veröffentlichte Studie auf der Basis von Daten aus dem traditionellen Auswanderungsland Jamaika sogenannte agentenbasierte Computersimulationen erstellt – und zwar je nach Visapolitik des Ziellandes und insbesondere für drei Personengruppen: Studenten und hochqualifizierte Fachkräfte, wenig qualifizierte Arbeiter sowie Familiennachzügler.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass die Zahlen auf andere Länder mit einer ähnlichen wirtschaftlichen Situation wie Jamaika übertragbar sind.

Insgesamt zeigte sich, dass auch bei einer liberalen Visapolitik des Ziellandes mit vergleichsweise geringen Auflagen nur rund 44 Prozent der Migrationswilligen tatsächlich auswandern. Bei einer Verschärfung der Visabestimmungen geht laut den Berechnungen der Forscher zum einen die Rate der legalen Migranten zurück.

Weniger Migranten, mehr Illegale

Zum anderen konnten sie mit ihren neuen Methoden feststellen, dass aber etwas weniger als 20 Prozent illegale Kanäle zur Auswanderung benützen würden. Sprich die Auswanderungszahlen bei einer strengen Visapolitik sinken zwar insgesamt, werden aber durch illegale Einreise teilweise kompensiert.

Je nach Gruppe gab es dabei deutliche Unterschiede: Hochqualifizierte Fachkräfte und insbesondere Familiennachzügler sind deutlich stärker motiviert, trotz aller Restriktionen in den Zielländern illegale Einwanderung in Kauf zu nehmen. Dementsprechend fällt das Resümee von Koautor David Hudson aus: "Unsere Forschungen zeigen deutlich, dass eine restriktive Visapolitik zu einem Anstieg von illegalen Immigrationsströmen führt. Und das wiederum macht mehr teure Grenzkontrollen nötig." (Klaus Taschwer, 7.8.2018)