Wüstenwanderung in geografische und emotionale, in instrumentale und vokale Extremlagen: Beat Furrer hat mit den Xenos-Szenen eine Salzburger Fassung seines 2010 in Basel uraufgeführten Musiktheaters Wüstenbuch erstellt. Sie wurde bei den Festspielen in der Stiftung Mozarteum am Montag euphorisch bejubelt. Sprecherin Isabel Karajan las zunächst Wüstenbuch-Fragmente von Ingeborg Bachmann. Eröffnet wurde der Abend mit Beat Furrers Ira – Arca für Bassflöte und Kontrabass, dessen rhythmische und klangliche Motive auch in den Xenos-Szenen flimmerten wie eine Fata Morgana.

"Lass in ein dunkles Zimmer fallen die Strahlen der Sonne durch irgendein Loch und betrachte dann näher den Lichtstrahl ..." Die Stäubchen im Strahl werden sich "im ewigen Kriege" Schlachten und Kämpfe liefern, "immer erregt sie der Drang zur Trennung wie zur Verbindung". Das Zitat stammt aus dem lateinischen Lehrgedicht Über die Natur von Lukrez. Im Furrer'schen Kontext wurde daraus ein Bild für Abstoßung und Anziehung in menschlicher "Beziehung": In einem Vokalsatz von überwältigender Intensität, die den Text in Silben und noch kleinere Teilchen zerteilte, machte Furrer das Flirrende geradezu physisch spürbar.

Landschaftsmetaphern

"In der Ferne erwartet dich der Schatten der Liebe", heißt es in einem spanischen Gedicht von Antonio Machado. Beat Furrer verwandelte das in einen archaischen, in großen Bögen atmenden Gesang für tiefe Frauenstimme. Das virtuose Gegenstück für hohe Frauenstimme setzt die Protagonisten in der Wüste der Begegnung mit sich selbst aus. Virtuos aufgebaut wurde dabei die enorme Spannung zwischen Sopran und Kontrabass, die den Bogen zurückschlug zu Ira – Arca. Die Bachmann-Lesung war angesichts des Einsatzes hochkomplexer Texte in den Xenos-Szenen fast zu lang, wirkte aber mit ihren Landschaftsmetaphern wie ein Wüstenbühnenbild von Meisterhand. Ein überwältigender Abend. (Heidemarie Klabacher, 7.8.2018)