Berrin T. und ihr Lebensgefährte Christian L. müssen für zwölfeinhalb und zwölf Jahre in Haft.

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Es ist ein Fall, der selbst erfahrene Ermittler an ihre Grenzen brachte. Das Landeskriminalamt Baden-Württemberg hat ihn als die schlimmste Tat eingestuft, die je in seine Zuständigkeit fiel. Als die Staatsanwaltschaft zu Beginn des Prozesses 58 Taten auflistete und dabei stundenlang Einzelheiten schilderte, brachte dies Prozesszuseher dazu, den Saal zu verlassen.

Von Salatgurken war die Rede, von Dildos und Strumpfmasken, von Männern, die bis zum Jahr 2017 tausende Euros für den heute zehnjährigen Buben bezahlt hatten. Und immer wieder von Berrin T. (48), der leiblichen Mutter des Kindes, die es selbst missbrauchte, missbrauchen ließ und die Taten filmte – gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Christian L. (39), einem wegen Pädophilie Vorbestraften.

Sicherheitsverwahrung für Mann

Das Verbrechen hatte so viel Aufsehen erregt, weil die eigene Mutter den Missbrauch nicht nur vertuscht, sondern sogar aktiv betrieben hatte. "Bis heute ist es schleierhaft, dass ihre Mutterinstinkte nicht funktioniert haben", zeigte sich Staatsanwältin Nikola Novak erschüttert.

Für die Mutter hatte sie 14 Jahre und sechs Monate gefordert, für den Lebensgefährten 13 Jahre und sechs Monate sowie anschließende Sicherungsverwahrung. Das Landgericht Freiburg blieb in seinem Urteil nur knapp darunter: zwölfeinhalb Jahre Haft für Berrin T. und zwölf Jahre Gefängnis plus Sicherheitsverwahrung für den Lebensgefährten Christian L. Er kann damit theoretisch ein Leben lang eingesperrt bleiben.

Das Urteil gegen Berrin T. ist bereits rechtskräftig. Sie ließ kurz nach der Verkündung durch ihren Anwalt erklären, sie werde keine Rechtsmittel einlegen, sie wolle für ihren Sohn ein Zeichen setzen, "dass jetzt wirklich Ruhe ist".

Dieser lebt in einer Pflegefamilie, es geht ihm laut seiner Rechtsanwältin "den Umständen entsprechend gut". Über das Grauen, das ihm widerfuhr, spricht er nicht. Für den Prozess war dies auch nicht nötig, weil die Missbrauchshandlungen auf Video dokumentiert waren.

Missbrauch einer 13-Jährigen

Begonnen hatten diese 2015, als Christian L. aus der Haft entlassen wurde und mit Berrin T. zusammenzog. Die Haftstrafe hatte er wegen des Missbrauchs an einem 13-jährigen Mädchen verbüßt, eine Sicherheitsverwahrung war vom Gericht abgelehnt worden.

Das Martyrium wäre dem Buben möglicherweise erspart geblieben, wenn die Behörden nach L.s Haftentlassung genauer hingesehen hätten. So stufte das Jugendamt Hinweise der Schule auf einen Missbrauch des Buben als zu vage ein.

Auch das Verbot des Kontakts zu Kindern und Jugendlichen, mit dem L. wegen seiner einschlägigen Verurteilung eigentlich belegt war, wurde zunächst nicht überwacht. Zwar nahm das Jugendamt den Sohn im März 2017 für einige Wochen in seine Obhut. Doch nach dem Widerspruch der Mutter kam er zurück in die Wohnung. Die Mutter hatte damals argumentiert, es könne ja nichts passieren, weil sie ohnehin dabei sei.

Der entscheidende Hinweis kam dann am 10. September 2017 – nicht von Behörden, sondern von einer anonymen Person, die Videos des Buben im Darknet gesehen hatte. Fünf Tage später wurden Berrin T. und ihr Lebensgefährte festgenommen, das Kind dem Jugendamt übergeben.

Pädophilenring

Im Zuge der Ermittlungen gelang es der Polizei einen Pädophilenring um das Paar auszuheben und aufzudecken, dass T. und L. sich auch an der dreijährigen Tochter einer Bekannten vergangen hatten. Neben T. und L. wurden bisher noch sechs weitere Männer zu Haftstrafen verurteilt.

Während L. im Prozess umfassend ausgesagt hatte, hatte die Mutter geschwiegen. Das Gericht kam zur Einschätzung, zu Beginn habe sie ihren neuen Lebensgefährten nicht verlieren wollen, später sei "das finanzielle Interesse" dazugekommen.

Für jeden Missbrauchsfall hätten die beiden mehrere Tausend Euro kassiert. Gutachter Hartmut Pleines sagte über die Mutter: "Die Bereitschaft, ihren Sohn zu opfern, liegt in ihrem wenig entwickelten Gewissens- und Normengerüst begründet." (Birgit Baumann aus Berlin, 7.8.2018)