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Trinh Xuan Thanh nach seinem Prozess in Hanoi.

Foto: Reuters

Hanoi/Berlin/Bratislava – Die Entführung des vietnamesischen Managers und Expolitikers Trinh Xuan Thanh im vergangenen Sommer aus Berlin nach Hanoi entwickelt sich zu einem diplomatischen Dreieckskonflikt zwischen Vietnam, Deutschland und der Slowakei. Der ungeheure Verdacht: Die slowakische Regierung könnte dem vietnamesischen Geheimdienst geholfen haben, das Entführungsopfer aus der EU zu bringen. In Bratislava wurde von den Juniorpartnern der Koalition deswegen für Donnerstag der Koalitionsausschuss einberufen. Sie fürchten um das internationale Ansehen ihres Landes.

Trinh Xuan Thanh war früher Abgeordneter und Vorstandsvorsitzender eines staatseigenen Unternehmens für Erdölfördertechnik. Hanoi wirft ihm unter anderem vor, dort wegen Unterschlagung und Misswirtschaft für Verluste in dreistelliger Millionenhöhe verantwortlich zu sein. Darauf steht in Vietnam die Todesstrafe – verurteilt wurde Thanh schließlich zu lebenslanger Haft.

Thanh, der sich daheim auch mit der Kommunistischen Partei überworfen und in Deutschland um politisches Asyl angesucht hatte, wurde am 23. Juli 2017 im Berliner Tiergarten gekidnappt und direkt in die vietnamesische Botschaft gebracht. Von dort ging es zwei Tage später mit einem Diplomatenfahrzeug weiter ins tschechische Brno und am 26. Juli in die slowakische Hauptstadt. Das haben Berliner Behörden anhand von Bildern aus Überwachungskameras, Handydaten und der Auswertung von GPS-Daten beteiligter Fahrzeuge ermittelt.

Ministertreffen in Hotel

In Bratislava stand das Entführungsfahrzeug auf dem Parkplatz eines Hotels, in dem zeitgleich der damalige slowakische Innenminister Robert Kalinák seinen vietnamesischen Amtskollegen To Lam samt Delegation empfing. Die deutschen Ermittler hegen den Verdacht, dass das ungewöhnlich kurzfristig angesetzte Treffen den Zweck hatte, das Entführungsopfer und die Entführer unbemerkt aus der EU zu bringen.

So steht es in einem Bericht vom Juni. Dazu sollen sich die vietnamesischen Gäste das slowakische Regierungsflugzeug geliehen haben und damit nach Moskau gejettet sein. Zwölf Personen seien demnach an Bord gewesen, darunter auch der entführte Trinh Xuan Thanh – mit einem auf einen falschen Namen ausgestellten Diplomatenpass.

Belastende Zeugenaussage

Die slowakische Tageszeitung "Denník N" hat nun gemeinsam mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit zwei slowakischen Polizeibeamten gesprochen, die den damaligen Innenminister Kalinák schwer belasten: Demnach soll dieser von dem Transport des Entführungsopfers in der Regierungsmaschine gewusst haben. Die Polizisten wollen beobachtet haben, wie ein schwerverletzter Mann, der ohne fremde Hilfe nicht gehen konnte, aus dem Entführungsauto in ein Polizeiauto gestiegen war, das die Beteiligten zum Flughafen brachte. Der Protokollchef des Innenministeriums soll den Polizisten gesagt haben, Kalinák wüsste davon, das sei "im staatlichen Interesse". Dieser dementiert das.

Jetzt fordern nicht nur der parteilose Präsident Andrej Kiska und die Opposition eigene Ermittlungen zur Entführung, sondern auch die Juniorpartner der Regierungskoalition von Premier Peter Pellegrini von der sozialdemokratischen Partei Smer. Béla Bugár, Vorsitzender der liberalen Partei Most-Híd, kann sich keine weitere Regierungszusammenarbeit vorstellen, sollten sich die jüngsten Informationen bestätigen.

"Kalináks rechte Hand"

Präsident Kiska hatte zuvor erklärt, er habe das Vertrauen in Innenministerin Denisa Saková (Smer) verloren. Diese verhalte sich "wie Kalináks rechte Hand" und verhindere nötige Ermittlungen. Kalinák selbst weist sämtliche Vorwürfe zurück. Er war im März als Innenminister zurückgetreten, nachdem er im Zusammenhang mit den Ermittlungen nach dem Mord an dem Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak in die Kritik geraten war. (Marina Mai, Gerald Schubert, 8.8.2018)