Kein Fan von Prozac: der Star.
Foto: Liam Smith

London – So lange und intensiv Medikamente auch auf Nebenwirkungen getestet werden – es können sich immer wieder auch Effekte ergeben, mit denen niemand gerechnet hat. Von einem solchen berichten nun zwei englische Forscherinnen im Fachmagazin "Chemosphere": Fluoxetin – besser bekannt unter seinem US-amerikanischen Handelsnamen Prozac – beeinflusst offenbar das Verhalten von Vögeln stark genug, um ihre Vermehrung zu beeinträchtigen.

Belastete Umwelt

Das klingt nur auf den ersten Blick nach einem irrelevanten Zusammenhang: Wann kommen Vögel schon mit Antidepressiva in Kontakt? In Wahrheit sieht es leider so aus, dass sie dies ständig tun, berichten Kathryn Arnold und Sophia Whitlock von der Universität York, die sich im Rahmen einer dreijährigen Studie mit Staren beschäftigt hatten.

Die Vögel suchen ihre Beute häufig in der Nähe von Kläranlagen, wo Insekten, Würmer und Maden ihrerseits reichlich Nahrung finden und in entsprechend hoher Zahl vorkommen. Allerdings ist diese Nahrung mit pharmazeutischen Rückständen, die Menschen ausgeschieden haben, versetzt, welche so in die Nahrungskette gelangen. Einige Substanzen, darunter auch Fluoxetin, halten sich besonders lange und können sich daher auf die Endabnehmer auswirken.

Attacke statt Balz

Die Forscherinnen testeten nun Prozac-Dosierungen, wie sie auch in der Natur vorkommen können, an Staren und stellten fest, wie sich das Antidepressivum auswirkt. Laut den Ergebnissen beeinträchtigt es schon in geringen Konzentrationen das Balzverhalten: Männliche Stare finden Weibchen auf Prozac offenbar weniger attraktiv und singen deutlich weniger für sie. Stattdessen zeigen sie gegenüber den "ruhiggestellten" Weibchen vermehrt aggressives Verhalten, jagten sie und setzten ihnen mit Schnabel und Krallen zu. Paarungen bleiben aus.

Das sei der erste Beleg dafür, dass schon geringe Mengen eines Antidepressivums das Balzverhalten von Singvögeln stören können, sagte Arnold. Angesichts eines Rückgangs zahlreicher Wildtier-Populationen sei daher zu überlegen, wie chemische Stoffe und Medikamente aus der Umwelt ferngehalten werden könnten. Vor allem Flüsse seien immer stärker mit chemischen Stoffen belastet. Sollte der Trend anhalten, könnte die Gewässerbelastung vor 2050 um zwei Drittel zunehmen, heißt es in der Studie weiter. (red, APA, 8. 8. 2018)