János Perényi behauptet, bei in Ungarn tätigen NGOs gebe es "keine Transparenz, weil die Geldflüsse nicht nachvollziehbar sind".

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Wenn der Herausgeber einer Zeitung erklärt, dass man von Adolf Hitler "unglaublich viel lernen kann, gerade was Medien betrifft", und diese, vom Mauthausen-Komitee als "tendenziell antisemitisch und völlig obskur" beschriebene Zeitschrift bislang vor allem durch frei erfundene Interviews aufgefallen ist, so verbietet es sich eigentlich, aus ihr zu zitieren. Im konkreten Fall eines Gesprächs von "Alles roger?" mit János Perényi, dem ungarischen Botschafter in Wien, möchte ich aber eine Ausnahme machen. Zum einen weil Perényi das Interview bislang nicht dementiert hat, es dürfte also tatsächlich stattgefunden haben. Seine darin geäußerte Abneigung gegen "Mainstream"-Medien lässt darauf schließen, dass er gewußt hat, mit wem er da spricht. Was nicht wirklich verwundert, denn hier wächst zusammen, was zusammengehört. Oder bildlich gesprochen: Auch Bob Marley hätte mit dem "Hanf Journal" geredet.

Zum anderen findet sich im Interview eine in ihrer Kühnheit kaum zu übertreffende Aussage: Bei in Ungarn tätigen NGOs gäbe es "keine Transparenz, weil die Geldflüsse nicht nachvollziehbar sind". Aus dem Mund eines Gesandten von Viktor Orbán wirkt die Forderung nach Nachvollziehbarkeit von Geldflüssen ähnlich gewagt, wie eine Forderung nach dem Verbot von Briefkastenfirmen, vorgebracht vom Botschafter der Cayman Islands.

Sumpf an Machenschaften

"Die Korruption, die vor 2010 eher eine Fehlfunktion des Systems war, ist heute ein Teil des Systems" befindet Transparency International über Ungarn – jenes EU-Land, in dem die meisten europäischen Fördergelder missbraucht werden. Was der Volksmund zum Ausgangspunkt olfaktorischer Eskalation bei einem Fisch zu sagen hat, trifft auch hier zu: Viktor Orbán und seine Familie stecken tief im Sumpf dieser Machenschaften. Der deutsche Autor Jürgen Roth widmet in seinem Buch "Die neuen Paten – Wie die autoritären Herrscher und ihre mafiosen Clans uns bedrohen" 32 Seiten dem ungarischen Ministerpräsidenten und den Umtrieben in seinem Umfeld. Ein Sittenbild, zu dessen Beschreibung der Begriff "Kleptokratur" angemessen erscheint.

Natürlich weiß das auch Herr Perényi. Kann es also sein, dass er in Wahrheit einen Kurswechsel andeuten will? Dass auch Orbán ab und zu von schlechtem Gewissen geplagt wird, zeigt seine vorwöchige Aussage, wonach Wirtschaftsflüchtlinge das einzig relevante Problem Europas seien. Angesichts von über 600.000 ungarischen Staatsbürgern im europäischen Ausland und einer Studie des Statistikamtes Budapest, laut der "rund 680.000 Ungarn im Alter von 14 bis 40 Jahren von Auswanderung träumen" und "380.000 dazu bereits konkrete Pläne hätten", kann das nur als Selbsterkenntnis ungarischer Eigenproblematik interpretiert werden.

Und wer weiß: Vielleicht sind die beiden unserer Polizei von Orbán geschenkten Pferde nicht bloß ein Geschenk mit mindestens sieben Pferdefüßen mehr als der Schenker, sondern der Beginn einer Wiedergutmachungsinitiative. Sollte diese gar zur Rückzahlung der veruntreuten EU-Fördergelder führen, wäre das ein Geldfluss, der zumindest für alle Nichtmitglieder der Familie Orbán völlig nachvollziehbar ist. (Florian Scheuba, 8.8.2018)