Etretat, einem für seine weißen Klippen berühmten Ferienort am Ärmelkanal, ist eines von zwölf Seebädern in der Normandie, in denen die Behörden die Mini-Bibliotheken am Meer eingerichtet haben.

Foto: APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Bereits 2005 wurde in Nordfrankreich das Projekt "Lesen am Strand" mit drei Häuschen gestartet – bis 2017 meldete die Region mehr als 38.000 Besucher an ihrer Küste von Le Havre bis Treport.

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Das Projekt erfreut sich auch in anderen Teilen Frankreichs großer Beliebtheit. Im südfranzösischen Herault feierte "Lesen am Strand" gerade sein zehnjähriges Bestehen, nachdem es 2017 rund 21.000 Menschen an die Strände nahe Montpellier gelockt hatte.

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Le Havre – Auch am Strand zu liegen, kann bei der gegenwärtigen Hitze ziemlich kräftezehrend sein. Wer in Frankreich eine Pause braucht vom Sonnenbaden, aber auch erst einmal genug vom Schwimmen hat, für den könnte ein Besuch in einer der neuen Strand-Bibliotheken genau das Richtige sein. Scharen von Lesern räkeln sich in den Liegestühlen der Lese-Stützpunkte, die im Juli an der nordfranzösischen Küste eröffnet wurden.

"Es ist eine perfekte Pause zum Lesen und Entspannen zwischen zwei Runden Baden im Meer", sagt die 52-jährige Friseurin Isabelle in Etretat, einem für seine weißen Klippen berühmten Ferienort am Ärmelkanal. "Da ich nicht in den Urlaub fahre, freue ich mich jeden Nachmittag darauf."

Lesen am Strand

Etretat ist eines von zwölf Seebädern in der Normandie, in denen die Behörden die Mini-Bibliotheken am Meer eingerichtet haben. Die von 7. Juli bis 26. August geöffneten Holzhütten wurden jeweils mit 1.000 Büchern ausgestattet. Bereits 2005 wurde in Nordfrankreich das Projekt "Lesen am Strand" mit drei Häuschen gestartet – bis 2017 meldete die Region mehr als 38.000 Besucher an ihrer Küste von Le Havre bis Treport.

Hier kann jeder kostenfrei und ohne Anmeldung zum Lesen kommen. In diesem Jahr stellte die Bezirksverwaltung 400 Stühle rund um die Lesehütten auf, die täglich von 14.00 bis 19.00 Uhr geöffnet haben. Innen wirken die Häuschen mit ihren einladenden Farben und Polstern wie Mini-Bibliotheken.

Blick aufs Meer

Es gibt sogar Bücher auf Deutsch, Englisch und Italienisch. Zwei Literaturstudenten beraten die Leser, legen Bücher zum Weiterlesen für den nächsten Tag zurück, da die Werke nicht mitgenommen werden dürfen.

An einem sonnigen Nachmittag sitzen rund 15 Besucher zwischen neun Monaten und 70 Jahren vor der Hütte mit Blick aufs Meer, um in fremde Welten einzutauchen. "Wir brauchen mehr davon", sagt Romain Mace, ein Ingenieur aus Rouen, der mit einer Hand auf dem Kinderwagen einen Gedichtband von Baudelaire liest, während sein Baby schläft.

Lesehütte

Auch Stephanie Planchineau entspannt mit ihrem achtjährigen Sohn vor der Bücher-Hütte. "Wenn es regnet, findet man dort Zuflucht, dort ist es warm", sagt die 45-jährige Urlauberin aus der Umgebung von Paris. Und auch in der Hitze tut eine kleine Strandflucht schließlich gut.

Die 47-jährige Corinne Ait Amar kam nach Etretat, um endlich die Klippen zu sehen, von denen sie in den Büchern über den französischen Meisterdieb Arsene Lupin gelesen hatte. Nun steckt sie aber wieder ihre Nase in Bücher. "Es ist perfekt, es gibt viele sehr neue Bücher", sagt die Krankenschwester aus dem ostfranzösischen St. Etienne, die mit ihrer Familie hier Urlaub macht. Ihre Tochter hat sich in ein japanisches Manga-Comic vertieft. "Wir haben beschlossen, dass wir den Rest der Familie erst später als geplant wieder treffen", sagt ihre Mutter.

Abtauchen in Literatur

Die zehnjährige Oceane hat zwei Comics unterm Arm und fühlt sich hier wie zuhause: "Meine Eltern arbeiten auf der Werft, ich komme jeden Tag", erklärt das Mädchen, das fast zwei Stunden lesend in einem Liegestuhl zubringt.

Das Projekt erfreut sich auch in anderen Teilen Frankreichs großer Beliebtheit. Im südfranzösischen Herault feierte "Lesen am Strand" gerade sein zehnjähriges Bestehen, nachdem es 2017 rund 21.000 Menschen an die Strände nahe Montpellier gelockt hatte. Ähnliche Programme riefen auch Australien, Bulgarien, Israel und Spanien ins Leben, damit die Menschen nicht nur ins Meer, sondern auch in Literatur abtauchen können. (APA, AFP, 8.8.2018)