1991 legte der Ausbruch des Vulkans Pinatubo einen Schleier aus Aerosolen um die Erde, der sie vorübergehend um etwa ein halbes Grad abkühlte. Das Konzept des Solar Radiation Management versucht diesen Effekt nachzuahmen. Die Ergebnisse wären allerdings zweifelhaft, wie eine neue Studie nahelegt.
Illustration: Jonathan Proctor und Solomon Hsiang

Berkeley – Lange bevor der Modebegriff "Climate fiction" aufkam, veröffentlichte der US-amerikanische Autor Norman Spinrad 1999 seinen hellsichtigen Roman "Greenhouse Summer". Die satirische Betrachtung einer klimawandelgeplagten Welt Mitte des 21. Jahrhunderts liest sich heute, als hätten Spinrad Nachrichten aus der Zukunft ereilt – genauer gesagt die Meldungslage dieser Woche.

Am Montag erschien eine aufsehenerregende Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, derzufolge ein sich selbst verstärkender Klimawandel dazu führen könnte, dass die Erde in eine "Heißzeit" kippt und eine "Welt, die anders ist als alles, was wir kennen" wird. Im Roman ging die Angst vor einem vergleichbaren Schreckgespenst um, dort als "Venuseffekt" bezeichnet.

Stichwort Geoengineering

Am Mittwoch kam dann die zweite große Klimastudie dieser Woche heraus. Ihr Thema war das, was in der Zukunftswelt von "Greenhouse Summer" längst zum Alltag gehört, in der Realität aber noch nicht über Gedankenspiele und einige Feldversuche in kleinem Maßstab hinausgekommen ist: Geoengineering.

Hinter dem sperrigen Begriff, geprägt in den 1970er Jahren, verbirgt sich das, was heute immer weniger Wissenschafter für einen gangbaren Plan B zum Klimaschutz halten. Der Grundgedanke war eigentlich reizvoll: Wenn die internationalen Bemühungen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nicht fruchten, könnte man die Klimaerwärmung doch auch durch eine Ingenieursleistung in planetaren Dimensionen ausgleichen. Vielleicht hat ein technologischer Kraftakt tatsächlich höhere Chancen auf Verwirklichung als – eigentlich einfach durchführbares, aber offenbar ungeliebtes – Sparen.

Unterschiedliche Konzepte

Methoden wurden schon ganz verschiedene erdacht, und manche davon lesen sich selbst wie Science Fiction: etwa das Konzept, im Weltraum zwischen Erde und Sonne eine Art Schutzschirm zu errichten, der aus einer gigantischen Anzahl winziger Scheiben bestünde und einen Teil des Sonnenlichts abfangen würde, um für Kühlung zu sorgen. Am anderen Ende des Spektrums steht die Idee, durch Eisendüngung der Meere Algenblüten auszulösen. Die Algen würden große Mengen Kohlenstoff binden und mit sich auf den Meeresgrund nehmen, wenn sie wieder absterben.

Die am häufigsten genannte Methode im – immer noch hypothetischen – Arsenal der Geoingenieure ist eine aus der Unterkategorie Solar Radiation Management. Sie liefe darauf hinaus, die Sonneneinstrahlung zu reduzieren, indem man in großem Stil Schwefelaerosole in der Stratosphäre ausbringt. Dieser Schleier würde einen Teil des Sonnenlichts ins All reflektieren und damit die Temperatur am Boden senken.

Vulkanisches Vorbild

Die Inspiration dafür lieferten Vulkanausbrüche der vergangenen Jahrzehnte, insbesondere die des Pinatubo auf den Philippinen 1991 und des El Chichón in Mexiko 1982. Beide Ausbrüche hatten der Stratosphäre große Aerosolmengen injiziert und zu einer vorübergehenden Absenkung der globalen Temperaturen geführt – ganz wie in einem Solar Radiation Management gewünscht. Und genau diese beiden Eruptionen nahmen Jonathan Proctor und Solomon Hsiang von der University of California, Berkeley nun genauer unter die Lupe.

Die Forscher zogen die Daten über die ausgestoßenen Schwefeldioxidemissionen und meteorologische Messwerte heran und verglichen sie anschließend mit der Entwicklung der Ernteerträge der wichtigsten Nahrungspflanzen aus 105 Ländern im Zeitraum von 1979 bis 2009. Das im Fachmagazin "Nature" veröffentlichte Ergebnis überraschte sie, es lief nämlich auf beinahe gar keinen Effekt respektive sogar geringfügige Ernteeinbußen bei Kühlung hinaus. "Es wäre wie ein experimenteller chirurgischer Eingriff, bei dem die Nebeneffekte so schlimm sind wie die Krankheit selbst", fasst Proctor die Ergebnisse zusammen.

Auswirkungen heben einander auf

Offenbar kommt es zu zwei Effekten, die einander nivellieren: Der verringerte Hitzestress kommt dem Pflanzenwachstum zwar wie erhofft zugute. Zugleich sinkt durch den geringeren Lichteinfall aber die Photosyntheseleistung und damit die Produktivität. Es gibt verschiedene Photosynthese-Varianten, das annähernde Nullsummenspiel gilt laut der Studie aber sowohl für sogenannte C4-Pflanzen wie Mais als auch für C3-Pflanzen wie Weizen, Reis und Soja.

Zumindest für die Landwirtschaft wäre die Konstruktion eines Aerosol-Schleiers in der Stratosphäre also sinnlos. Oder wie Hsiang sagt: "Es ist, als würde man mit einer Kreditkarte eine andere abbezahlen. Am Ende des Tages steht man wieder am Ausgangspunkt und hat das Problem nicht gelöst."

Zwiespältige Ergebnisse

Die Analyse fügt sich damit in eine schon recht lange Reihe von Geoengineering-Studien mit ambivalenten Ergebnissen ein. Beispiel Meeresdüngung: Nach einigen fehlgeschlagenen Experimenten konnte 2012 erstmals ein Versuch zur Erzeugung einer Algenblüte einen Erfolg vermelden. Der daran beteiligte österreichische Meeresbiologe Gerhard Herndl äußerte sich allerdings skeptisch über die Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffbunkerung am Meeresgrund – und mehr noch über die Auswirkungen der Ablagerung auf die dortigen Nahrungsnetze.

2013 warnten Forscher des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie davor, dass ein Aerosolschleier den Wasserkreislauf der Erde beeinflussen würde, weil es physikalisch einen Unterschied macht, ob dieselbe Temperatur durch Sonneneinstrahlung von oben oder einen Treibhauseffekt von unten erzeugt wird. Und 2012 rechnete die European Geosciences Union vor, dass diese Variante von Geoengineering die globalen Niederschlagsmuster verändern würde. Unter anderem Europa und Nordamerika müssten sich auf trockenere Zeiten einstellen.

Interessenkonflikte

Und schon ist man bei einem Aspekt von Geoengineering angelangt, den Spinrad in "Greenhouse Summer" ebenfalls anspricht und darin zur Grundlage eines internationalen Intrigenspiels macht, das in der Wirklichkeit weit weniger vergnüglich wäre: Jede Änderung des Klimas wirkt sich in verschiedenen Weltregionen ganz unterschiedlich aus. Jessica Strefler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat sich die "Nature"-Studie angesehen und verweist auf das "gewaltige internationale Konfliktpotenzial" von Geoengineering. Kurz gesagt: Wenn wir der Erde eine Klimaanlage bauen – wer hätte dann die Befugnis, das Thermostat einzustellen? (Jürgen Doppler, 10. 8. 2018)