Als feurige Badeschaumgeborene weiß Isabella (Cecilia Bartoli) mit lasziven Tönen zu betören.

Foto: SF/Monika Rittershaus

Der Ruf des Muezzins ertönt in der Mozartstadt, tiefenentspannt glotzen die Kamele ummatumm, bewaffnete Kleinkriminelle in Jogginghosen verräumen illegal beschaffte Flachelek tronik. Jössas: Ist das wirklich so schnell gegangen mit der Islamisierung und dem Klimawandel in Salzburg? Heilige Maria, hilf!

Aber nein, da kommt erst einmal Santa Cecilia hereingeritten, auf einem Wüstenschiff. Als stimmungsaufhellendes Satyrspiel nach kopflosen Propheten, skelettierten Zarinnen und elendslangen "Hunger"-Spielen wird bei den Festspielen die Pfingstproduktion, Gioachino Rossinis L’italiana in Algeri, wiederaufgenommen. Das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier hat das Dramma giocoso ins Algerien der Gegenwart versetzt, Mustafà ist vom Bey zum bladen Tony Soprano von Algier mutiert. Mit seiner allzu devoten Frau ist ihm im Bett aber immer noch fad.

Waschlappenweich flöten

Ildar Abdrazakov singt den Möchtegernmacho im Rippstrick meist bärenstark, kann aber auch waschlappenweich herumflöten. Ach, wie er sich nach einer feurigen, stolzen Italienerin sehnt! Da kommt sie auch schon, in Gestalt von Cecilia Bartoli. Energisch in der Tiefe, strahlend in der Höhe und beweglich bei der Koloraturgymnastik wird die 52-Jährige jedoch gleich von drei Männern umworben. Als Badeschaumgeborene versteht sie es, diese mit laszivsten Tönen kirre zu machen.

Aber warum steht Bartolis Isabella eigentlich auf diesen kiffenden Birkenstock-Schlaffi Lindoro, sucht ihn auf einem fremden Kontinent? Wahrscheinlich, weil er so schön singt. Edgardo Rocha lässt zu Beginn seiner ersten Cavatine die Sonne aufgehen und die Zeit stillstehen. Sternstunden der Komik bietet Alessandro Corbelli als Taddeo – ein Musterbeispiel dafür, wie detailliert und fantasievoll Leiser/Caurier in der Personenführung gearbeitet haben, mit den Solisten wie auch mit dem Chor. Der Mittsechziger erinnert in seiner essigsauren Kauzigkeit an Chers klempnernden Vater in Mondsüchtig.

Fußballerische Freuden

Auch die kleineren Partien sind exzellent besetzt, allen voran überzeugt Rebeca Olvera (als Mustafàs Gattin Elvira) mit ihrem luxuriös strahlenden Sopran, José Coca Loza als intensiver Haly und Rosa Bove als leidensstarke Zulma. Und der Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Walter Zeh) ist gesanglich und auch fußballerisch eine große Freude.

Mit fuchtelnden Bewegungen treibt Jean-Christophe Spinosi das Ensemble Matheus oft zu einer schroffen, aufgekratzten Drastik an, bürstet brave Begleitfiguren gegen den Strich, frisiert Akzente auf; kleinere Abstimmungsschwierigkeiten bei den Übergängen irritieren.

Genial Luca Quintavalle am Hammerklavier, der bei den Rezitativen mal kaltschnäuzig schnell agiert und im nächsten Moment wieder verführerische Girlanden flicht. Helle Begeisterung im Haus für Mozart für dieses reinigende Gewitter der Komik. (Stefan Ender, 9.8.2018)