Kinshasa/Wien – Bescheidenheit in Vergleichen ist offenbar nicht immer eine Zier: "Nun gibt es Gelegenheit für alle Kongolesen, dem allmächtigen Gott zu danken", sagt Emmanuel Ramazani Shadary, "für die Gnade, die er uns gezeigt hat. Und einem außergewöhnlichen Mann für seine moralische Führerschaft: Joseph Kabila." Wenige Stunden zuvor hatte Kabila, Kongos Präsident seit 2001, verkünden lassen, dass er bei den Wahlen im Dezember nicht mehr antreten wolle.

Die Entscheidung ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Die Verfassung des 80-Millionen-Einwohner-Staates sieht nur zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten vor. Dass Kabila immer noch regiert, ist nur der Tatsache zu verdanken, dass er beim ersten Mal, 2001, nicht gewählt wurde und zudem seine dritte Amtszeit seit 2016 dadurch verlängert hat, dass er anstehende Wahlen einfach nicht durchführen ließ.

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Kongos Präsident Joseph Kabila tritt nicht mehr zur Wahl an.
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Shadary persönlich hat trotzdem allen Grund für sein überschwängliches Lob. Der frühere Vizepräsident und Innenminister ist nämlich überraschend der neue Kandidat von Kabilas Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie (PPRD). Dass die Wahl ausgerechnet auf den wenig populären Politiker fiel, hat viele in der Opposition, die über Kabilas Verzicht erfreut waren, misstrauisch gemacht. Denn über Shadary ist vor allem eines bekannt: Er ist dem Präsidenten gegenüber loyal. Wie Kabila stammt er aus dem Ostteil des Landes. Außerdem fällt in seine Zeit als Innenminister die gewaltsame Niederschlagung von Protesten der Opposition, die ihre Anhänger 2016 auf die Straße gerufen hatte, um gegen die Verschiebung der Wahl zu demonstrieren. Damals wurden dutzende Menschen getötet, seit Sommer 2017 steht Shadary deshalb auf der Sanktionsliste der EU.

Kaum Verbesserungen

Viele im Kongo munkeln nun, Shadary trete vor allem als Marionette Kabilas an. Dieser könnte sich dann 2023, bei der nächsten geplanten Präsidentenwahl, wieder dem Votum des Volkes stellen – ähnlich, wie es etwa Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2008 getan hatte, als er vom Präsidentenamt für vier Jahre in jenes des Premiers wechselte, um so der Verfassung Genüge zu tun.

Er soll es für die Kabila-Partei nun richten: Emmanuel Ramazani Shadary.
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Allerdings: Dafür müsste Shadary erst einmal die Wahlen gewinnen. Und dass ihm das gelingt, gilt keineswegs als sicher. Denn weder Kabila noch sein neuer Kandidat sind im Volk populär: Viele Kongolesinnen und Kongolesen sind vom Präsidenten und seiner Partei enttäuscht. Sie machen die Regierung dafür verantwortlich, dass die Korruption noch immer weitgehend ungehindert wütet – und dafür, dass der Kongo noch immer einer der ärmsten Staaten der Erde ist, obwohl er etwa über die größten Kupfervorkommen Afrikas und die weltgrößten Vorkommen an Kobalt verfügt, das für den Bau von Akkus – etwa für Handys, aber auch für Elektroautos – unverzichtbar ist. Nicht zuletzt sehen sie die Partei auch als Synonym für die mangelnde Stabilität des Landes – und dafür, dass der Staat in vielen größeren Städten kaum vorhanden ist und schon gar kein Gewaltmonopol ausübt.

Auch Kritik an Gegnern

Kommt es nicht zu Manipulation, so sagen alle Umfragen der vergangenen Jahre, werden Kandidaten der Opposition den Urnengang gewinnen. Sofern sie denn antreten dürfen. Moise Katumbi zum Beispiel, der angeblich beliebteste Politiker des Landes, darf nicht. Der einstige Gouverneur der Kupferprovinz Katanga, Sohn eines vor den Nazis geflohenen Griechen und einer Kongolesin, ist einer der reichsten Männer des Landes.

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Moise Katumbi darf nicht ins Land und daher auch nicht antreten.
Foto: Reuters / Kenny Katombe Butunka

Er gilt als effizienter Manager, wird aber immer wieder mit Korruption in Verbindung gebracht. Grund dafür, dass er nicht antreten darf, ist das allerdings nicht. Vielmehr hatte er es gewagt, Kabila wegen der Wahlverzögerung zu kritisieren. Ein kongolesisches Gericht verurteilte ihn daraufhin 2016 wegen Immobilienbetrugs zu einer mehrjährigen Haftstrafe. Er lebt seither im belgischen Exil, die Wiedereinreise zur Registrierung als Kandidat wurde ihm verwehrt.

Aus Den Haag auf die Wahlliste

Eingereist ist dagegen Jean-Pierre Bemba. In Abwesenheit Kabilas gilt der ehemalige Rebellenkommandant als heißester Anwärter auf den Wahlsieg. Er war zuletzt 2006 bei Wahlen angetreten und hatte damals mit 41 zu 59 Prozent gegen Kabila verloren. Zwischenzeitlich verbrachte er viel Zeit in den Niederlanden, konkret in Den Haag. Dort saß er seit 2008 wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Milizen unter seiner Kontrolle in der Zentralafrikanischen Republik begangen haben sollen, in Untersuchungshaft des Internationalen Strafgerichtshofs. Erst 2018 wurde er überraschend freigesprochen. Seine Unterstützer werben damit, Bemba sei "100 % congolais" – im Gegensatz zu Kabila, dem sie nachsagen, seine Mutter stamme aus Ruanda.

Ex-Warlord Jean-Pierre Bemba ist nach einem Aufenthalt in Den Haag ins Land zurückgekehrt. Er lässt sich als "100 % congolais" bewerben.
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Unter den neun Kandidaten sind außerdem noch zwei Vertreter der größten Oppositionsparteien. Aber auch den beiden chancenreichsten, Vital Kamerhe und Felix Tshiskedi, werden derzeit nicht viel mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen zugetraut. Doch Spannung bleibt: Zum einen weil Umfragen im Kongo als notorisch unverlässlich gelten; zum anderen, weil große Zweifel an der Bereitschaft der Regierung bestehen, tatsächlich faire Wahlen abzuhalten. Schon die bisher letzten, im Jahr 2011, waren von Fälschungsvorwürfen begleitet.

Schließlich bleibt eine weitere noch offene Frage. Die Wahlkommission entscheidet nämlich erst am 19. September über die Zulassung der nun gemeldeten Kandidaten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass etwa doch noch ein Grund gefunden wird, Bemba den Antritt zu verweigern. Das freilich bereitet vielen Sorge: Denn der Anschein, dass der ehemalige Milizenführer benachteiligt werden könnte, hätte durchaus das Potenzial, seine Anhänger zu Gewalt greifen zu lassen. (Manuel Escher, 9.8.2018)