Angefangen hat alles mit der Lidschattenpalette "Rose" von Catrice. Ich benutze sie, seit mir eine Stylistin vor rund drei Jahren diese Farben empfohlen hat. Damit kämen meine grünen Augen besonders zur Geltung, erklärte sie mir beim Probeschminken. Ich zweifelte, gab ihr aber freie Hand und wow – meine Augen! Seitdem stehe ich auf "Rose".

Unlängst, beim Einkaufen, wollte ich eine neue Rose-Palette nehmen, damit ich einen Vorrat habe. Nur so zur Sicherheit. "Nein", schoss mir durch den Kopf. Keine Beautyprodukte daheim horten. Dafür gibt es Geschäfte, und ehrlich gesagt liegt im Badezimmer ohnehin schon viel zu viel Zeug herum. Heldenhaft ging ich weiter. Schritte, die ich wenige Wochen später bereuen sollte.

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Die unglaubliche Produktvielfalt kann auch Nachteile haben.
Foto: Reuters / Benoit Tessier

Denn meine dreijährige Tochter wollte sich auch einmal schminken. Schon lag die Palette auf dem Boden. Eine Farbe hat den Sturz nicht überlebt. Dass das just meine Lieblingsfarbe war, muss ich wohl nicht erwähnen.

Also auf zum Geschäft, her mit der neuen Palette. Schock! Es gibt sie nicht mehr. Neue Farbarrangements breiteten sich vor mir aus. Meine Rose-Töne sind nicht mehr dabei. Es folgte ein nicht von Erfolg gekrönter Hürdenlauf durch den stationären Handel, auf der Suche nach Restposten. Fündig wurde ich dann im Internet. Eine Palette auf Vorrat – immerhin.

Drang zum Hamsterkauf

Mich ärgert das. Weil es nicht das erste Mal ist, dass ein Produkt, an das ich mich gewöhnt habe, aus dem Verkehr gezogen wird. Auch meine Haarfarbe ist nicht mehr Mahagoni, seit Garnier beschlossen hat, die Farbe, für die ich mich nach längerer Suche entschlossen habe, aus dem Sortiment zu streichen.

Mein Anruf bei Garnier lehrte mich damals: Mahagoni war wohl kein Verkaufsschlager, also musste sie weichen. Doch die Dame bei Garnier gab mir noch einen besonderen Tipp. Sie nannte mir zwei Farbnuancen, die ich kaufen und daheim mixen sollte – das käme dann schon hin, sagte sie. Danke. Auf so ein Experiment habe ich keine Lust. Damals habe ich Hamsterkäufe getätigt.

Dieser Drang ereilt mich nun wieder. Denn das Schild "Sale", das ich nun im Regal bei meinem Rouge sehe, versetzt mich in Angstzustände. "Nicht schon wieder", denke ich und eile zur Verkäuferin. "Von denen bekommen wir dann nichts mehr", verkündet sie die Hiobsbotschaft. Und, Mist: Es liegt nur noch ein Stück im Regal. Die Verkäuferin sieht mir meine Panik an und schenkt mir den Tester.

Überforderung durch die Vielfalt

Beim nun einsetzenden Sprint durch den Beautyhandel überlege ich nicht mehr lange und will auch gleich meinen Lippenstift auf Vorrat absichern. Aber was ist das jetzt? Drei Geschäfte, und in allen ist das betreffende Regal leer – bei beiden Produkten. Heul. Zu Hamsterkäufen kommt es damit nicht. Dafür bin ich zu spät dran. "Das Produkt wird verändert und ist dann wieder lieferbar", lerne ich. Zumindest für die Lippen besteht also Hoffnung.

Ich will aber eigentlich kein verändertes Produkt. Ich will genau dieses. Ich habe lange gesucht, bevor ich mich für genau diesen Lippenstift entschieden habe. Ich will mich nicht umorientieren müssen – nicht schon wieder.

Mich überfordert die Vielfalt der Möglichkeiten. Und obwohl ich jetzt eine Lidschattenpalette auf Vorrat habe, erwische ich mich dabei, wie meine Augen immer nach den guten alten Rose-Tönen suchen.

Hohe Trendaffinität

Fündig wurde ich vor kurzem in der Naturkosmetikabteilung eines Konkurrenzhauses. Ich habe sofort zugegriffen, denn die Palette dort ist ziemlich nah dran an meinem Original. Dafür muss ich jedoch Marke und Geschäft wechseln. "Die Farben ändern sich halt wie die Mode", erklärt mir eine Verkäuferin. "Wir aktualisieren regelmäßig unsere Produktpalette, um unseren Kunden die aktuellsten Farben und Produkte bieten zu können", lässt mich Catrice wissen.

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Die Farb-Paletten werden immer wieder den jeweiligen Modetrends angepasst.
Foto: AP / Vadim Ghirda

Ich verstehe ja, dass die Beautyfirmen auch bei aktuellen Modetrends dabei sein wollen. Aber muss man dafür immer Basisprodukte stanzen? Offenbar ja, denn Platz für Neues muss geschaffen werden. "Make-up ist eine Produktkategorie mit sehr hoher Trendaffinität", erklärt eine Sprecherin von L’Oreal. Die Kunden erwarteten zu jedem Modetrend den passenden Look.

Dass ich bei Lidschatten und Rouge nicht hamstern konnte, liegt wohl auch daran, dass es andere schon getan haben. Beim Lippenstift hat mich der Online-Versand der betreffenden Drogeriekette gerettet, bei dem ich sie noch bestellen konnte. Und dann, wenn ich in ferner Zukunft zum dritten Lippenstift auf Vorrat greife, werde ich mich wieder ärgern. Weil ewig halten diese Produkte auch nicht. Mein Hamstern wird sich rächen. Das ahne ich schon.

Ich bin nicht allein

Mit meinem Ärger über Produkte, die ohne Vorwarnung mit mir Schluss machen, bin ich zumindest nicht allein. Kaum erzähle ich in der Redaktion von meinen Irrläufen, platzt es aus einer Arbeitskollegin heraus: "Meine Haarfarbe wurde auch aus dem Sortiment genommen."

Eine andere vermisst die ihr lieb gewordene Wimperntusche. Dieses Schicksal teilt sie mit einer anderen Kollegin, die sich zusätzlich zur gewohnten Wimperntusche auch eine neue Hautcreme suchen musste. Eine Freundin wurde zur Hamsterkäuferin, weil ihr die Bergamotten-Seife genommen wurde. Einer anderen hat man ihren Lieblingstee aus dem Regal entfernt. Meinen Spitz-Fruchtsaftsirup kann ich nur noch online bestellen, aber immerhin ist er verfügbar. Nicht so die Lego-Edition, auf die die Söhne jener Kollegin bauen, deren Haarfarbe nicht mehr in den Regalen steht.

Luxusprobleme

Bei Haarfarben reagiert L’Oreal übrigens zweimal jährlich auf Trends. Vor allem, wenn es um bunte Töne wie Rosa oder Blau geht. Diese Farben frage die jüngere Zielgruppe stark nach, und diese sei auch probierfreudiger, heißt es bei L’Oreal. Basisfarben hingegen verlassen das Sortiment nur, wenn die Nachfrage danach sinkt. Wobei Österreich hier auch abhängig ist von der Nachfrage in Deutschland. Fällt ein Produkt aus dem Sortiment, merken die Anbieter das über Rückfragen immer wieder.

Mein Mann schaut mich nur noch ungläubig an, wenn ich ihm von meinem Frust und den erfolglosen Rennereien durch die Beautyshops berichte. Er hat anscheinend schon wieder vergessen, wie sehr er sich geärgert hat, damals, als seine Deotücher aus dem Verkehr gezogen wurden – und wie sehr er sich gefreut hat, weil ich für ihn hamstern war.

Ja, das sind Luxusprobleme allererster Güte. Keine Frage. Aber bei der unglaublichen Produktvielfalt, die mich täglich umgibt, nervt es mich, dass ich dennoch ständig das Gefühl habe, den Dingen hinterherjagen oder mich laufend umorientieren zu müssen. Ich suche doch nur nach ein wenig Stabilität in einer sich permanent verändernden Welt.

Aber so wie es aussieht, kann ich mir die wohl abschminken. (Bettina Pfluger, 11.8.2018)