Das kontinuierliche Vorbeten von Katastrophenszenarien führt dazu, angesichts der Herausforderung des Klimawandels zu resignieren.

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Regelmäßig zu jeder Hitzewelle, Kältewelle, bei hohen Niederschlägen, ausbleibenden Niederschlägen – you name it, eben jedem Wetterereignis oder dem Wetter zuzuordnenden Ereignis wird die Sau durchs Dorf getrieben: die Klimakatastrophe. Ja, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit sind diese Extremwetterereignisse, auch Fluchtbewegungen, aussterbenden Tier- und Pflanzenarten, zerbröselnden Gebirge und die Bedrohung des grünen Veltliners die Folge des menschgemachten Klimawandels. Der Nichtwissenschafter würde sogar sagen: mit Sicherheit.

Die Folgen sind bereits jetzt schlimmer, als wir es vor zehn Jahren vorhergesagt hätten. Vermutlich sind sich die meisten Akteure der "Klimawandelszene" einig, dass wir ohnehin das ganze Jahr über an einem Aufmerksamkeitsdefizit leiden. So stellt sich dann in diesen Zeiten verstärkter Zuwendung immer auch das Gefühl der Schuldigkeit ein: Sind wir nun froh oder betrübt darüber, im Recht zu sein? "Ich habe es ja gesagt" ist in diesem Fall auch kein Trost. Am Ende trifft es uns alle.

Nur Verzicht als Ausweg?

So launig es klingen mag, man muss dankbar sein für die Berichterstattung und auch dafür, dass Journalistinnen und Journalisten sich die Zeit nehmen, Recherchearbeit in dieses oftmals abstrakte Thema zu stecken. Personal- und Zeitressourcen sind, neben den finanziellen, dünn gesät in den Redaktionen. Unsere "Szene" scheitert chronisch, gut verkaufbare Geschichten vorzubereiten und sperrige Inhalte richtig zu transportieren. Eine unheilige Allianz schlechter Voraussetzungen.

Bei aller Selbstkritik über die mangelnde Kommunikationsfähigkeit ist dennoch eine Kritik an der Berichterstattung angebracht: Es stapeln sich zwar die negativen Superlative, die Geschichten individueller und kollektiver Betroffenheit wie auch in unterschiedlichen Konstellationen die düsteren Zeichen an der Wand, aber Auswege werden selten transportiert. Wenn überhaupt, meist nur in Nebensätzen oder in Form relativierender Gegenüberstellung von Problemen der jeweiligen Lösung. Oder lapidar und schlicht: die Aufforderung zum Verzicht.

Das Unabwendbare hinnehmen?

Und das ist auch schon die Kernkritik: Die Klimakatastrophe ist nicht unabwendbar. Majestix der Gallier hatte nicht recht, denn der Himmel wird uns nicht auf den Kopf fallen. Auch muss man vor diesem Prozess nicht kapitulieren, und schon gar nicht gilt der alte österreichische Wappenspruch "Kann man nix machen". Der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes schreibt in "What We Think About When We Try Not To Think About Global Warming", dass gerade das kontinuierliche Vorbeten von Katastrophenszenarien dazu führt, dass Menschen vor der Herausforderung des Klimawandels resignieren.

Die schiere Ohnmacht vor den unzähligen Katastrophenszenarien treibt uns dazu. Mehr als 80 Prozent aller Nachrichtenartikel über die IPCC-Berichte (Intergovernmental Penal on Climate Change) benutzen das Wort Katastrophe und suggerieren damit die Unabwendbarkeit von sterbenden Korallen, der Übersäuerung der Meere, von Fluchtbewegungen, Kipppunkten der Erde oder dem steigenden Meeresspiegel.

Berechtigterweise warnt auch der Autor George Marshall in "Don't Even Think About It" davor, dass ein kontinuierlich hohes "Bedrohungslevel" schlicht dazu führt, dass wir uns damit arrangieren und das Unabwendbare hinnehmen. Die besondere Krux des Klimawandels, dass die schlimmsten Auswirkungen andere wesentlich härter treffen (nämlich die Ärmeren) und die schwerwiegendsten Folgen erst mit Verzögerung eintreten, wird hier zum Fluch. Wir arrangieren uns mit der Bedrohung und relativieren sie, weil sie ohnehin unvermeidbar ist. Immer weiter entfernt sich so das Wesentliche – die Lösungen, die wir haben.

Über Lösungen reden

Die Logik ist klar – wir müssen davor warnen, was passieren kann. Allerdings sind wir nicht gezwungen, den Weg der eigenen Vernichtung zu gehen. Insofern ist der Wunsch an die Medien klar: Wir haben ein ganzes Orchester an Lösungen in der Hand: erneuerbare Energien, Elektromobilität (inklusive dem öffentlichen Verkehr), eine sinnvolle Energieraumplanung, Speicher, Energieeffizienz – all das haben wir bereits, und der Großteil davon erlaubt uns ein besseres, gesünderes Leben.

Selbstverständlich kann das alles nicht schon heute oder morgen umgesetzt werden. Wir sprechen ja von einem Prozess und nicht von einem Lichtschalter. Aber wir können damit beginnen. Und wir müssen rasch damit beginnen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung befürwortet Maßnahmen gegen den Klimawandel und würde sogar Einschnitte in Kauf nehmen, wenn es hilft und korrekt kommuniziert wird. Und nein: Das sind keine Not-in-my-backyard-Zusagen, wie man ebenso nachweisen kann. Das Sprechen über Lösungen, und zwar konsequent und nachhaltig, fehlt in jener Breite und Tiefe, in der man sich beispielsweise in Phasen der Selbstbetroffenheit über Hitzeperioden oder Trump'sche Vernaderungen des Klimawandels echauffieren kann.

Und viel wichtiger: Schreiben und sprechen wir doch über die Gründe, warum die Lösungen da sind, die Bereitschaft sie ein- beziehungsweise umzusetzen hoch ist, und es dennoch nicht passiert. Diskutieren wir über die Bremserinnen und Bremser und, für Medien sicher spannender, graben wir tiefer an die Wurzel. Zweifellos werden Mineralölfirmen wie die OMV oder Heizöllieferanten zu den Verlierern im Kampf gegen den Klimawandel gehören. Das Befeuern des Klimawandels ist immerhin ihr Kerngeschäft. Vergleichbar mit den Tabakfirmen Mitte des letzten Jahrhunderts, die um das Krebsrisiko wussten, wissen auch die Ölkonzerne bereits seit 50 Jahren über den Klimawandel Bescheid. Zeit hatten sie also bereits genug.

Ökosoziale Steuerreform

Wirtschaftsverbände, ob freiwillig oder durch Pflichtmitgliedschaft, sind freilich nur so mobil wie ihr langsamstes Mitglied. Politikerinnen und Politiker gehen oft den Weg des geringsten Widerstandes und sind oft in irgendeiner Form abhängig von finanziell und strukturell mächtigen Interessengruppen. Die fossile Lobby hat sich, hochgepäppelt durch unseren Konsum und üppige Subventionen, festgesetzt wie die Made im Speck. Man findet sie heute in allen Bereichen unserer Legislative und den vorgelagerten Institutionen, und sie ziehen dort immer heftiger an den Strippen, wohl wissend, dass sie ein Ablaufdatum haben. Ohne die Schocktherapie einer ökosozialen Steuerreform werden sie uns auch noch lange begleiten, auch wenn es ein Rückzugsgefecht ist. Medien sollten vor allem darüber berichten und unbequem bohren, warum Entscheidungen ausbleiben, wie sie getroffen wurden und warum etwa Interessengruppen rückwärtsgerichtete Ziele vertreten, während die Antwort für eine gesunde Volkswirtschaft sicher nicht in fossilen Relikten liegt.

Gemeinsam über Lösungen sprechen

Ohne Energie ist alles nichts. Mit knapp der Hälfte der weltweiten Emissionen ist die Bereitstellung von Energie mit Abstand der größte Klimawandeltreiber. Blicken wir uns um, wird schnell klar, dass wir unendlich viel Energie verbrauchen, der Großteil davon jedoch rasch durch erneuerbare Energien, der Rest durch Energieeffizienz "sauber" gemacht werden kann. Die Lösungen dafür sind spannend, vielfältig und betreffen alle Lebensbereiche (und Ressorts in den Medienhäusern). Die Tatsache, dass wir sie haben, macht optimistisch. Natürlich: Ja, es ist alles sehr technisch, es ist alles sehr kompliziert. Meine Einladung daher – diskutieren wir darüber, um die Lösungen für die abwendbare "Katastrophe" endlich voranzubringen statt uns platt abzuarbeiten an den haarsträubenden Folgen einer (abwendbaren) Klimakatastrophe. (Florian Maringer, 10.8.2018)