"Kunst ist schön. Macht aber viel Arbeit." Sagte schon Karl Valentin. Und weil sie viel Arbeit macht, kostet sie auch. Bei den Salzburger Festspielen, einem personalintensiven Festival, das als Produzent einen Sommer lang Orchester und Schauspielensembles beschäftigt, sind Kartenpreise im dreistelligen Bereich üblich. Das schließt viele Menschen aus. Nicht alle können 200 Euro für eine Eintrittskarte hinlegen. Was also tun mit schmalem Budget? Die Salomé daheim im Fernsehen anschauen? Ich starte einen Selbstversuch. Komme ich jetzt, zur Mitte des Festivals, mit wenig Geld noch in Vorstellungen rein?

Als Erstes versuche ich das Restkartenglück. Die Festspiele aktualisieren täglich auf ihrer Webseite die Kartenlage. Guter Service. Auf zwei bis drei A4-Seiten entfaltet sich das Angebot, das täglich natürlich schwindet. Ich brauche nicht lange zu schmökern: Viel Spielraum gibt es für die schmale Brieftasche nicht. Mehr Chancen könnte ich direkt am Schalter haben. Dort – das Büro liegt neben dem Sigmundstor – herrscht aufgeregtes Gewusel. Jeder hier will etwas, am besten sofort. Bedauernd bestätigt mir die Mitarbeiterin am Schalter, dass günstige Karten – zumindest für die Oper – nur mehr schwer zu kriegen sind. Erfahrungsgemäß kommen wenn, dann nur Karten aus teuren Kategorien zurück. Die Salomé sei sogar aussichtslos.

Die Salzburger Altstadt wird im Sommer zum Festspiel-Hotspot. Doch: Wie weit kommt man mit kleinem Budget?
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Karten im November

Für Pique Dame etwa gab es am letzten Sonntag noch Karten in der 430-Euro-Kategorie. Nichts für mich. Bei anderen Kartenanbietern, zum Beispiel viennaticket, schaut es allerdings noch schlimmer aus: 596,70 Euro. Was tun? Die Antwort führt in die Vergangenheit. Wer wenig Geld hat, muss in Salzburg sehr früh dran sein. Plätze mit Sichtbehinderung oder in den hinteren Rängen hätte es für mich zu Beginn des Kartenverkaufs im letzten November noch um 30 bzw. 75 Euro gegeben. Das Gleiche gilt für die Salomé in der Felsenreitschule mit 20 bzw. 75 Euro. Zu spät. Jetzt, im August, sind im Opernbereich keine Karten unter 100 Euro (The Bassarids) verfügbar. Ausnahme ist die konzertante Aufführung von Der Prozess mit 65 Euro.

Anders schaut es da im Theater aus. Das Schauspielprogramm, das bei den Festspielen traditionell die zweite Geige spielt, bietet durchaus Optionen für wenig Geld. Was nicht viele wissen: Für den Jedermann gibt es allabendlich Stehplatzkarten um zehn Euro. Ab einer Stunde vor Vorstellungsbeginn kann man sie an der Kasse in der Franziskanergasse kaufen. Ran an den Speck! Ich stehe also wenig später mit dutzenden anderen Glückspilzen seitlich der Zuschauertribüne und versuche etwas von der langgezogenen Bühne zu erspähen. Na ja. Als Notlösung aber begrüßenswert (die rechte Seite ist übrigens vorteilhafter). Die aktuelle Inszenierung ist stehplatzfreundlich auch nach 1 h 45 vorbei.

Illustration: Armin Karner

Da geht sich noch ein Paar Frankfurter aus

Für kleines Geld muss ich Sichtbehinderungen in Kauf nehmen, bin dafür aber bei Frank Castorfs Hunger um 20 Euro dabei. Mit Fernstecher kann man aus der viertletzten Reihe auf der Halleiner Perner Insel auch etwas von der sich im Nebel von Oslo drehenden Holzhütte erkennen. Getoppt wird das von den seitlichen Balkonplätzen im Landestheater, wo Penthesilea und Die Perser laufen: elf Euro! Da geht sich auch noch ein Paar Frankfurter von einem der vielen mobilen Würstelstandeln der Stadt aus, die dem Festspielpublikum wie von Zauberhand stets auf den Fersen sind.

Sparen kann man in Salzburg schon einmal dadurch, dass man mit Knirps anreist. Es regnet nämlich ganz gewiss. Auch dann, wenn das keine Wetter-App der Welt prognostiziert. Jene zwölf Euro, die man sonst panikartig für einen Billigschirm ausgibt, kann man aufs Kunstrezeptionsbudget aufschlagen. Man wird es brauchen, auch wenn es viele Gratisveranstaltungen gibt. Hat man eine Karte erstanden, dann gilt diese auch als Öffi-Fahrschein in der Stadt, und zwar ab drei Stunden vor Vorstellungsbeginn. Der Busshuttle zur Perner Insel ist ebenso inbegriffen.

Heiraten plus "Zauberflöte"

Das mit der Oper wird aber nichts mehr. Es empfiehlt sich deshalb, das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit anzurufen und den Kapitelplatz anzusteuern. Hier, unweit des Domplatzes, geht die Operpost für die Habenichtse und Spätentschlossenen wie mich ab. Die Siemens Festspielnächte versorgen hier auf Leinwand das legere Publikum open air und kostenlos. Über 70.000 Besucher werden jährlich gezählt. Viele sind Laufkundschaften, wie ich erfahre. Ein junges Paar kam eigentlich zum Heiraten nach Salzburg. Beim Herumschlendern ist es jetzt vor der Zauberflöte hängengeblieben.

Die Plastikbestuhlung ist durchaus bequem. Das Wasser der nahen Kapitelschwemme säuselt angenehm. Hier könnte ich dann auch die Salomé sehen (26. 8.). Von allen Plätzen hat man gute Sicht. Auch Inszenierungen vergangener Jahre laufen, und ich bin drauf und dran, bei der Anna-Netrebko-Wahlnacht für den 17. August mitzuvoten (Netrebko von 2005 bis 2017, von der Violetta bis zur Aida). Oder noch besser: die Jedermann-Wahlnacht heute, Samstag. Auf Abruf stehen die Inszenierungen aus den Jahren 1970, 1983, 2004, 2010 und 2013. Mir stünde der Sinn nach Klaus Maria Brandauer und Marthe Keller anno 83, auch weil der Tod damals angeblich so prächtiges Ötzi-Flair hatte. An Unberechenbarkeit wird dieser Tod heute aber vom herrlich biegsamen Yoga-Gespenst Peter Lohmeyer getoppt. Wenn man Glück hat, radelt dieser als bis zum Scheitel tätowierter Gevatter kurz vor der Vorstellung über den Residenzplatz in die Umkleide. Gratis!

Viele Vorstellungen der Salzburger Festspiele sind ausverkauft. Darunter auch der "Jedermann" am Domplatz. Karten kommen aber auch zurück. Für die Vorstellung am 14. August sind nun 175-Euro-Tickets verfügbar. Es geht auch günstiger: Stehplatzkarten gibt es ab einer Stunde vor Beginn.
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Gratis sind auch viele Veranstaltungen im Rahmenprogramm der Festspiele, etwa das Fest zur Festspieleröffnung, für das heuer mehr als 10.000 Zählkarten ausgegeben wurden. Die öffentlichen Meisterklassen sind es ebenso wie das Sonderkonzert der Wiener Philharmoniker am 26. August in der Felsenreitschule. Auch wenn ich leider verabsäumt habe, mir eine Zählkarte zu sichern, so stehen die Chancen gut, sagt die Dame am Kartenschalter, weil erfahrungsgemäß viele vergebene Karten ungenützt bleiben.

Wäre ich unter 27 Jahren, stünde mir eine der 6000 Karten zur Verfügung, die für Vorstellungen aller Sparten am Beginn der Festspiele mit bis zu 90-prozentiger Ermäßigung ausgegeben werden. Dienst an der Jugend! Mit elf Euro für die Penthesilea, 20 Euro für Hunger, zehn für den Jedermann und der Leinwand-Netrebko zum Nulltarif sieht meine Bilanz aber ganz passabel aus. Geregnet hat es natürlich auch. (Margarete Affenzeller, 10.8.2018)