Asylwerber unter 25 dürfen eine Lehre absolvieren. Viele sind im Tourismus untergekommen.

Wien – Es geht um gerade einmal gut 1000 Menschen. Und doch stehen die Asylwerber, die gerade eine Lehre in Österreich absolvieren und denen die Abschiebung droht, aktuell im Zentrum der innenpolitischen Konflikte rund um die künftige Asyl- und Zuwanderungspolitik.

Eine interne Debatte ist soeben in der Wirtschaftskammer (WKO) entbrannt. Dabei geht es um die Frage, wie sich der Unternehmerverband in der Diskussion um ein Bleiberecht für Lehrlinge positionieren soll. Die meisten Landesorganisationen, jedenfalls diejenigen in Oberösterreich, Salzburg, Wien, Tirol, Vorarlberg und der Steiermark, verlangen ein Bleiberecht für die Lehrlinge und eine Lösung im Sinne der Unternehmer. Sie gehen damit auf Konfrontationskurs mit dem Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer, Harald Mahrer, und erhöhen den Druck auf die Regierung.

Mahrer gegen Bleiberecht

Mahrer hat sich diese Woche in einem Interview mit dem Kurier ablehnend zu einem Bleiberecht geäußert: Er verstehe die persönliche Betroffenheit von Lehrlingen und Betrieben, doch ein Asylwerber in Lehre, der einen negativen Bescheid bekomme, müsse behandelt werden wie jeder andere mit negativem Bescheid. Eine Forderung an die türkis-blaue Regierung, per Gesetz Lehrlinge vor einer Abschiebung zu schützen, kam von Mahrer nicht.

Dafür schlägt Mahrer aus den Landeskammern Skepsis entgegen: "Mahrer ist da sehr auf Linie der Bundesregierung. Wir in den Ländern sind nah an betroffenen Betrieben dran und kennen die Problemstellungen", sagt etwa Salzburgs WKO-Chef Konrad Steindl, der wie Mahrer vom schwarzen Wirtschaftsbund kommt.

Steindl weiter: Die Unternehmen in Salzburg seien dem Appell der Politik gefolgt und hätten sich bemüht, einen Beitrag zur Integration junger Asylwerber zu leisten. Als Teil davon haben viele Unternehmer Asylwerber als Lehrlinge aufgenommen. Angesichts fehlender Fachkräfte ein notwendiger Schritt, findet Steindl. Mit den Auszubildenden gebe es kaum Probleme. "Es macht überhaupt keinen Sinn, diese Menschen jetzt abzuschieben".

Sein Tiroler Kollege Jürgen Bodenseer drückt es so aus: Wer da die Abschiebung von Lehrlingen für in Ordnung befinde, "habe noch nie welche angestellt oder ausgebildet". Bodenseer ist selbst Unternehmer. Asylwerber, die in einem Betrieb eine Lehre absolvieren, lernten schneller Deutsch als in irgendwelchen Kursen, sie sammelten mehr Erfahrung. Er fordert ein Bleiberecht für die Menschen während der Ausbildungszeit. In Richtung Mahrer sagt er: "Wir sind die Praktiker vor Ort. Unsere Stimme sollte gehört werden."

Christoph Jenny, Vorarlberger WKO-Direktor, sieht es ähnlich und spricht von "unterschiedlichen Wahrnehmungen" zwischen den Länderkammern und der Spitze der Bundeskammer. "Die Lehre für Asylwerber ist eine Win-win-Situation für junge Menschen, die eine Chance brauchen, und Unternehmer." Jenny sieht WKO-internen Diskussionsbedarf in der Frage.

Aktuell absolvieren 1023 Asylwerber eine Lehre in einem Mangelberuf. Die meisten von ihnen in Oberösterreich. Auch in Salzburg, Tirol und der Steiermark gibt es viele Asylwerberlehrlinge.

Regierung auf der Bremse

"Die Auftragslage ist sehr gut. Was uns bremst, ist, dass wir Aufträge wegen fehlenden Personals nicht abarbeiten können", sagt Hermann Talowski, der in der steirischen Wirtschaftskammer für die größte Sparte Gewerbe und Handwerk spricht. Österreich brauche als Wirtschaftsstandort "gezielte Migration".

Jeder Politiker, der glaube, man könne den Fachkräftemangel ohne Einwanderung lösen, sei auf dem Holzweg. Warum Mahrer als Chef der Bundes-WKO dann nicht für ein Bleiberecht plädiert? Talowski: "Vielleicht muss man mehr unterscheiden zwischen der Linie der Regierung und Interessenvertretung für Unternehmen."

Der Ruf nach einem Bleiberecht kam auch vom Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, und Unternehmern wie Hannes Androsch und Hans Peter Haselsteiner. Die Regierung hat sich bisher ablehnend geäußert, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sagte, Asyl durch die Hintertür dürfe es nicht geben. Dass Schramböck und nun Mahrer auf die Bremse steigen, dürfte wohl dazu dienen, Druck vom Kanzler zu nehmen. Kurz hat sich in den vergangenen Wochen nicht zu den Lehrlingen geäußert.

Die meisten Lehrlinge kommen aus Afghanistan, viele haben zuletzt in erster Instanz einen negativen Asylbescheid erhalten. (András Szigetvari, 11.8.2018)