Rabat – Marokkanische Sicherheitskräfte haben in den vergangenen Tagen hunderte Migranten nahe der Mittelmeerküste aufgegriffen und in den Süden des Landes gebracht. Offenbar sollten sie dadurch von der Überfahrt über das Mittelmeer nach Europa abgehalten werden.

Ein Behördenvertreter in der Hafenstadt Tanger sprach am Samstag gegenüber AFP von einem "Einsatz im Rahmen des Kampfes gegen illegale Migration". 1.600 bis 1.800 Migranten seien in Orte gebracht worden, "in denen bessere Lebensbedingungen herrschen".

Marokkanische Menschenrechtler sprachen hingegen von illegalen Deportationen. Migranten würden seit Dienstag in Bussen von Nador und Tanger in die Stadt Tiznit nahe Agadir gebracht, sagte Omar Naji von der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH) in Nador. Auch am Samstag sei diese Praxis fortgesetzt worden.

Außerdem berichtete AMDH, dass mehrere Zeltlager in den Wäldern nahe der spanischen Exklave Melilla zerstört worden seien.

Verlagerung der Mittelmeerroute

Marokko fühlt sich so wie viele andere nordafrikanische Staaten von der EU allein gelassen und dringt auf stärkere finanzielle Unterstützung, zumal die Ankunft von Migranten soziale Spannungen erzeugt. Die Regierung geht davon aus, dass sich etwa 18.000 Migranten im Land aufhalten.

Zuletzt hatten immer mehr Flüchtlinge die Route über Marokko gewählt. In diesem Jahr sind nach UN-Angaben bereits mehr als 28.000 von Marokko aus nach Spanien gelangt. Damit liegen die Ankünfte schon im August auf dem Niveau des gesamten Vorjahrs.

Auf die Frage, ob Spanien Flüchtlinge aufhalten müsse, die nach Deutschland weiterreisen wollten, antwortete Merkel im Rahmen eines Treffens mit dem spanischen Ministerpräsident Pedro Sánchez ausweichend. Das bisherige Dublin-System sei "nicht funktionsfähig", sagte sie. "Nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen. Das entspricht aber nicht der Realität." Das Dublin-System sieht vor, dass in der Regel jener Staat für einen Migranten zuständig ist, in dem er zuerst den Boden der EU betritt.

Deutschland und Spanien wollen Flüchtlingszustrom eindämmen

Deutschland bestärkt Spanien bei seinen Bemühungen, den Flüchtlingszustrom von Marokko über das Mittelmeer nach Europa einzudämmen. Das nordafrikanische Land könnte nach Ansicht des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez eine "Schlüsselrolle bei der Ordnung der Migrationsströme spielen", sagte er anlässlich des Wochenendbesuchs von Merkel. Marokko müsse allerdings ausreichend unterstützt werden. Über die Höhe zusätzlicher Finanzhilfen wollte der Sozialistenchef nicht sprechen. "Zurzeit steht das Land unter einem enormen Migrationsdruck, der von den Ländern südlich der Sahara ausgeht", erklärte Sánchez.

Deutschland habe seinen Beitrag in den Europäischen Trustfonds für Tunesien und Marokko eingezahlt, "weil sie Unterstützung brauchen in der Grenzsicherung, weil sie auch Entwicklungszusammenarbeit brauchen", so Merkel. "Wenn die Differenzen zwischen den Perspektiven Afrikas und den Perspektiven Europas zu groß ist, dann werden die Ursachen von Migration und Flucht nicht zu bewältigen sein", warnte Merkel.

Zudem forderte sie eine enge Kooperation mit afrikanischen Ländern. Beide Seiten müssten etwas davon haben, "dass Schleppern das Handwerk gelegt wird". Es reiche nicht aus "über Afrika zu sprechen, sondern wir müssen mit Afrika sprechen". Auch Sánchez mahnte, je größer die Distanz zwischen Europa und Afrika bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung sei, desto größer werde die Tragödie im Mittelmeer sein. "Wir müssen diesen Abgrund irgendwie zuschütten."

Nach der Pressekonferenz am Samstag setzten Merkel und Sánchez ihre Gespräche in einer Finca im Nationalpark Donana fort. In dem riesigen Naturschutzgebiet verbringt der seit Anfang Juni regierende Sozialist zurzeit einige Urlaubstage mit seiner Familie. Am Sonntagnachmittag reiste Merkel wieder ab. (APA, AFP, 12.8.2018)