Die Türkische Währung hat seit Jahresbeginn zwei Drittel ihres Werts verloren.

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Istanbul/Washington – Im Streit zwischen dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und US-Präsident Donald Trump hat sich der Ton stark verschärft – mit schweren Folgen für die türkische Wirtschaft. Erdogan sprach in mehreren kämpferischen Reden von "Kampagnen" gegen die Türkei und einem "Wirtschaftskrieg". In Rize am Schwarzen Meer sagte er am Samstag, die Kugeln, Granaten, Raketen in diesem Krieg seien "Dollar, Euro oder das Gold". Er drohte damit, denen "die Hände zu brechen, die diese Waffen abfeuern".

Im Laufe des Freitags war die türkische Lira teilweise um fast 20 Prozent eingebrochen. Für einen Dollar wurden zeitweise 6,87 Lira fällig. Insgesamt hat die Währung seit Jahresbeginn gegenüber Dollar mehr als 70 Prozent an Wert verloren, gegenüber dem Euro rund 61 Prozent.

Strafzölle

Trump hatte zuvor angekündigt, Strafzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte aus der Türkei zu verdoppeln – Hintergrund ist der Konflikt um die Festsetzung des US-amerikanischen Pastors Andrew Brunson in der Türkei wegen Terrorvorwürfen.

In einem Gastbeitrag in der "New York Times" warf Erdogan den USA Respektlosigkeit vor. Sollte das so weitergehen, werde seine Regierung damit beginnen, "nach neuen Freunden und Verbündeten zu suchen", schrieb Erdogan. Damit meint er unter anderem Russland – wo das nächste Treffen kurz bevorsteht. Am Montag und Dienstag ist der russische Außenminister Sergej Lawrow in Ankara zu Besuch. Nach Informationen aus dem Außenministerium in Ankara steht dann unter anderem ein Treffen mit Minister Mevlüt Cavusoglu auf dem Programm.

Erdogan dementierte am Wochenende mehrmals, dass die türkische Wirtschaft in einer Krise stecke. "Das ist keine Wirtschaft, die bankrott geht, die untergeht oder die durch eine Krise geht", sagte er in der Ansprache in Rize.

Türkische Wirtschaftsbosse, von denen bisher viele zu seinen Unterstützern zählen, sehen das aber zum Teil anders. Die Zeitung "Sabah" zitierte den Chef der Istanbuler Industriekammer, in der einige der wichtigsten Industriellen des Landes organisiert sind, mit der Bitte um dringende Maßnahmen der Regierung. Der Lira-Verfall riskiere die finanzielle Stabilität des Landes.

Erdogan bestand am Wochenende allerdings weiterhin auf seiner umstrittenen Meinung: Die Lösung sei, die Zinsen zu senken und mehr zu produzieren. Der Präsident liegt damit seit Jahren diametral entgegengesetzt zur gängigen Wirtschaftslehre, wonach Zinserhöhungen die Währung stärken und die Inflation bekämpfen. Die hat in der Türkei inzwischen die 15-Prozent-Marke überstiegen.

Maßnahmenpaket

Mit der Wiederholung dieses von Investoren und Märkten viel kritisierten Credos sabotierte der Staatspräsident gleichzeitig ein Maßnahmenpaket zur Rettung der angeschlagenen Wirtschaft, das sein Schwiegersohn und Finanzminister Berat Albayrak am Freitag in Ankara vorgestellt hatte. Das "neue Wirtschaftsmodell", das Märkte und Investoren beruhigen sollte, blieb allerdings vage – was den Absturz der Lira weiter beschleunigte. Mittlerweile wird nach Einschätzung einiger Analysten an den Märkten schon die Möglichkeit einer Staatspleite der Türkei durchgespielt.

Verantwortung für die Krise übernahm Erdogan nicht. Stattdessen erhob er die USA und den Westen zum Feindbild. "Sie bedrohen uns", sagte Erdogan am Samstag in der Schwarzmeerprovinz Ordu mit Blick auf die USA. Die Türkei werde aber nicht nachgeben: "Man kann diese Nation nicht mit Drohungen zähmen." In einer anderen Ansprache hatte er die Menschen um Zusammenhalt gebeten. Solidarität sei die beste Antwort auf die Kampagnen des Westens.

Strafzölle ab Montag

In dem "NYT"-Gastbeitrag warf Erdogan der US-Regierung vor, den türkischen Prediger Fethullah Gülen nicht auszuliefern, den Erdogan für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Der Präsident schrieb, der Putschversuch ähnele dem, "was das amerikanische Volk zweifellos nach Pearl Harbor und den Angriffen vom 11. September erlebt hat". Außerdem sei die Reaktion der USA nach dem Putsch "alles andere als zufriedenstellend" gewesen. "Das türkische Volk hatte erwartet, dass die Vereinigten Staaten die Attacke eindeutig verurteilen und ihre Solidarität mit der gewählten Führung der Türkei ausdrücken. Das haben sie nicht getan."

Nach US-Angaben sollen die Strafzölle auf türkischen Stahl in Höhe von 50 Prozent ab Montag gelten. Türkisches Aluminium soll laut Trump künftig mit Zöllen von 20 Prozent belegt werden. Nach Angaben des türkischen Handelsministeriums hat das Land 2017 Eisen, Stahl und Aluminium im Wert von 1,1 Milliarden Dollar (950 Millionen Euro) in die USA exportiert – 0,7 Prozent aller Ausfuhren. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier kritisierte Trumps Wirtschaftspolitik mit Sanktionen und Strafzöllen. "Dieser Handelskrieg verlangsamt und zerstört Wirtschaftswachstum und produziert neue Unsicherheiten", sagte er der "Bild am Sonntag". (APA, 12.8.2018)