Husten gegen Herzinfarkt bringt nichts, sondern verschlimmert die Situation möglicherweise noch, sagt der Grazer Notfallmediziner Gerhard Prause. Sein Rat: Den Notruf wählen ist noch immer die beste Lösung.

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Fast jeder kennt Kettenbriefe. Häufig sind sie harmlos, versprechen Glück und Zufriedenheit, manchmal machen sie auch Angst, in seltenen Fällen sind sie auch lebensgefährlich. Wie jene Nachricht, die derzeit via Whatsapp und Facebook verschickt und auch in Österreich zunehmend verbreitet wird. Angeblich stammt sie von einem Notfallmediziner aus dem Rochester General Hospital in New York. Am Anfang des Kettenbriefs steht: "Zum Thema Herzinfarkt ... pausiere für 2 Minuten und lies das."

Danach folgt die Beschreibung eines Szenarios, das wohl jeder Berufstätige schon einmal erlebt hat: "Nehmen wir an, es ist 19.45 Uhr und Du gehst nach einem ungewöhnlich harten Arbeitstag nach Hause." So weit, so harmlos. Plötzlich spitzt sich die Situation zu: "Natürlich bist Du alleine ...! Plötzlich beginnst Du starke Schmerzen in der Brust zu empfinden, die sich in Deinen Arm und in Deinen Kiefer ziehen. Du bist nur etwa fünf Kilometer vom Krankenhaus entfernt, das Deinem Haus am nächsten liegt. Leider weißt Du nicht, ob Du noch so weit kommen wirst. Du wurdest in Erster Hilfe ausgebildet, aber der Typ, der den Kurs unterrichtet hatte, hat Dir nicht gesagt, wie Du es an Dir selbst anwenden könntest."

Schließlich wird die entscheidende, lebensrettende Frage gestellt: "Wie kannst Du alleine einen Herzanfall überleben, bis Dir geholfen wird? Da viele Menschen alleine sind, wenn sie ohne Hilfe einen Herzinfarkt erleiden, hat die Person, deren Herz unzulänglich schlägt und die sich ohnmächtig fühlt, nur etwa 10 Sekunden, bevor sie das Bewusstsein verliert."

Patient muss medizinisch überwacht werden

Was dann kommt, sollte eine Anleitung zur Selbstrettung sein: "Diese Opfer können sich selbst helfen, indem sie immer wieder stark husten. Vor jedem Husten sollte ein sehr tiefer Atemzug genommen werden, und der Husten muss tief und verlängert sein. Ein Atemzug und ein Husten müssen etwa alle zwei Sekunden ohne Unterbrechung wiederholt werden, bis die Hilfe eintrifft oder bis das Herz wieder normal schlägt."

Der Kettenbrief endet mit einer scheinbar plausiblen Erklärung, warum die "Hustentherapie" wirksam sein soll: "Tiefe lange Atemzüge holen mehr Sauerstoff in die Lunge und damit in den Körper und ins Gehirn, und die heftigen Hustenbewegungen drücken das Herz und halten das Blut im Kreislauf. Der Druck auf das Herz hilft auch, den normalen Herzrhythmus wiederherzustellen. Auf diese Weise können Herzinfarktopfer in ein Krankenhaus gelangen."

"Diese Technik gibt es, kommt aber nur bei Kammerflimmern – die häufigste Ursache für den plötzlichen Herztod – zum Einsatz. Der Patient muss dabei aber an ein Elektrokardiogramm angeschlossen sein und medizinisch überwacht werden", erklärt Gerhard Prause, Notfall- und Intensivmediziner an der Med-Uni Graz. Denn Betroffene seien selbst gar nicht in der Lage, das Kammerflimmern zu bemerken. "Dem Patienten wird übel, er verkrampft sich, die Augen drehen sich nach oben, dann verliert er das Bewusstsein."

Husten kann auch gefährlich sein

Typische Symptome für einen Herzinfarkt sind starke Schmerzen in Brust- oder Herzgegend. Häufig strahlen die Schmerzen in Arme, Oberbauch, Rücken, Hals oder Kiefer aus. Relativ oft treten auch sogenannte "unspezifische Anzeichen" wie Übelkeit, Atemnot oder Erbrechen auf, besonders bei Frauen.

"In solchen Fällen muss so rasch wie möglich der Notruf gewählt werden. Wer allein zu Hause ist, sollte Haus- oder Wohnungstür öffnen, damit die Rettungskräfte ungehindert den Patienten versorgen können. Gut wäre es, auch einen Nachbarn zu rufen. Vorausgesetzt, der Betroffene ist dazu noch in der Lage", sagt Prause. Von der Hustentechnik rät er jedenfalls ab: "Dadurch verschlechtert sich die Situation möglicherweise – durch das Husten könnte sogar Kammerflimmern ausgelöst werden."

Keine Evidenz

Laut der Deutschen Herzstiftung wird der Kettenbrief bereits seit 1999 immer wieder über das Internet verbreitet. Das Rochester General Hospital hat dazu folgende Stellungnahme abgegeben: "In den letzten 20 Jahren wurde weder dieser noch ein ähnlicher Artikel veröffentlicht. Darüber hinaus lässt sich die medizinische Empfehlung nicht durch die gegenwärtige Studienlage belegen."

Am Ende des Kettenbriefs steht noch: "Als Notfallmediziner sage ich: 'Wenn jeder, der diese Nachricht bekommt, sie an zehn Personen sendet, kann man darauf wetten, dass jeder mindestens ein Leben retten wird.'" Noch besser ist es, den Inhalt einfach zu löschen. (gueb, 27.8.2018)