St. Pölten, Sommer, Sonne, Herzinfarkt – und jede Menge Konfetti.

Foto: APA / Herbert P. Oczeret

1. Frische Luft

Das Ende der langen Sommerferien ist zumindest für Mittelschüler langsam absehbar. Die Studenten können noch bis Oktober ausschweifen gehen. Zeit, endlich einmal vom Bildschirm, dem Serien-Bingewatching und dem Sommerlager für Vampire Pause zu machen. Das Frequency Festival, liebe Leute, findet traditionell im Freien statt! Das bedeutet nicht nur frische Luft. Dort draußen im Freien findet auch die natürliche und überlebenswichtige Zufuhr von Vitamin D durch Sonnenlicht auf die Haut und die Eigensynthese des täglichen Bedarfs an Cholecalciferol statt.

Eigentlich reichen dafür täglich 20 bis 40 Minuten in der schönen Natur. Zur Not reichen aber auch zwei, drei Konzerte vor dem Sonnenuntergang auf einer Schotterpiste oder zünftige Trinkspiele auf einem Campingplatz neben der Autobahnabfahrt St. Pölten-Süd. Wenn es regnet, geht auch nicht gleich die Welt unter. Der Regen wäscht hinweg die Sünden der Welt. Man müffelt auch nicht so sehr nach drei Tagen Turnsaal und vier Tagen Unterhaltungsgetränken. Man riecht eher wie ein nasser Hund oder wie ein Schlammcatcher. Wie hat Nena einst so treffend gesungen: "Liebe wird aus Mut gemacht."

2. St. Pölten

Natürlich lohnt es auch, sich ein wenig mit der Geschichte der seit 1986 als niederösterreichische Landeshauptstadt firmierenden Metropole St. Pölten zu beschäftigen. Sie gibt nach den Anfängen des Frequency Festival in der Wiener Arena und auf dem Salzburgring seit 2009 traditionell den Gastgeber der Freiluftveranstaltung.

Nach einer Niederlassung der Römer zwischen dem ersten vorchristlichen Jahrhundert bis circa 450 nach Christus und einer dokumentierten, bis in die Steinzeit zurückreichenden Besiedlung, stand die von vielen Geschichtskundigen mitunter auch als "älteste Stadt Österreichs" bezeichnete Metropole mit dem lateinischen Namen Aelium Cetium gut drei Jahrhunderte lang leer. Als Grund dafür wird die dokumentierte Scheu der Langobardensippen angeführt, sich in städtischen Ballungsräumen aufzuhalten. Ein bis heute beobachtbares Charakteristikum der österreichischen Bevölkerung. Insofern ist die Bewirtschaftung eines Campingplatzes beim Festival eine nette historische Verbeugung vor alter germanischer Sitte. Dennoch bewirbt sich St. Pölten derzeit um den künftigen Titel einer "europäischen Kulturhauptstadt". Zwischen Laptop und Lederjacke schlägt das Herz des weltläufigen Frequency Festivals auf dem VAZ-Gelände St. Pölten exakt in der Mitte.

3. Völkerverbindender Gedanke

Es ist natürlich der völkerverbindende und auch außerhalb von Social Media in der realen Welt existierende Gedanke einer großen und trotz aller Unterschiede funktionierenden Gemeinschaft, der ein Festival zu einer guten Sache macht. Zwar wurden aus Gründen übermäßiger Lebensfreude oder der dementsprechenden Zufuhr von Substanzen beim Frequency auch schon Ehen geschieden. Ebenso viele aber wurden auch angebahnt – und waren sie manchmal nur zeitlich eng begrenzt. Wie man früher gesagt hat: Beim Reden und beim Headbangen kommen die Leut' z'samm. Tägliche 50.000 Besucher werden nicht irren.

4. Dummheiten machen

Apropos Headbangen und lustige Sachen machen. Bei einem Festival kann man natürlich sehr, sehr viele dumme Sachen anstellen. Des Nachts in fremde Zelte plumpsen oder sich Pommes frites in die Nase und Feuerwerksraketen sonst wohin stecken zählen dabei noch zu den harmlosen, sehr gern auf Instagram festgehaltenen Aktivitäten. Vorsicht, das kann bei Menschen, die davon nicht freiwillig betroffen sind, zu sehr wörtlich gemeinten Snap Chats führen, die für dumme Buben tatsächlich erheblich schmerzhaft enden können.

Wollen wir das Ganze als notwendige entwicklungspsychologische Versuchsanordnung betrachten. Es geht darum, Grenzen auszutesten oder kennenzulernen. Aua! Liebe Leute, gesunde Watschen gibt es übrigens nicht. Lernt, aufeinander Rücksicht zu nehmen. "Entschuldigung" zu sagen bringt langfristig mehr, als "Wos is, Depperter, wüst Quartett spüln mit mir?!" zu brüllen. Doch, doch, das ist so.

5. Tolle Livemusik

Es gibt tolle Livemusik! Wenn Damon Albarn und seine Gorillaz zum Beispiel die schönsten Hits der Nullerjahre spielen, ist das wirklich unterhaltsam. So man am Donnerstag gegen Mitternacht nicht schon sehr müde ist. Yung Hurn wird vor Drogen warnen, Macklemore und Hardwell vor Zeltfest-Techno, Feine Sahne Fischfilet vor Neonazis. Das ist doch eigentlich gut! (Christian Schachinger, 14.8.2018)