Donald Trumps Straffeldzug gegen Tayyip Erdoğans Türkei hat aus der anhaltenden Liraschwäche binnen einer Woche eine schwere Währungskrise gemacht.

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Das Nato-Land Türkei stürzt in eine Währungskrise mit Aussicht auf den wirtschaftlichen Kollaps, und wortreich zu Hilfe meldete sich lange nur einer: die iranische Regierung. Der Mangel an Freunden und Verbündeten ist eines der frappierenden Merkmale dieser Türkei-Krise. So viele Antipathien hat das Land unter der Herrschaft seines autoritären Präsidenten Tayyip Erdoğan gesammelt, dass nun niemand in Europa aufstehen und beruhigend auf die Finanzmärkte einwirken wollte.

Möge Erdogan vom Absturz der Lira doch weggerissen werden, wünschen sich wohl viele in Europa. Er hat sich die Probleme schließlich selbst eingebrockt mit seinen freihändig finanzierten Prestigeprojekten, der Familienwirtschaft und der Aushebelung des Rechtsstaats.

Das ist natürlich kurz gedacht. Wächst sich die Währungskrise nun rasch zur Schuldenkrise aus, kann sie die EU, den größten Handelspartner der Türkei, anstecken. Die ersten Schockwellen lassen sich bereits an den europäischen Börsen beobachten. Bricht die türkische Wirtschaft ein, die in Wahrheit einzige pragmatische Vertragsgrundlage der türkischen Erdoğan-Wähler mit ihrem Autokraten, dann wird der Staatschef alle Register ziehen, die Öffnung der Tore für die Flüchtlinge nach Europa inbegriffen. Und Erdoğan selbst wird seinen Platz nicht mehr räumen. Daran zu glauben wäre eine gefährliche, Gewalt heraufbeschwörende Illusion.

Erdoğans Türkei

Wer hat die Türkei verloren? Es ist bereits eine alte Frage der internationalen Politik. Nur der Name ändert sich. In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war es China, und die Amerikaner stellten sich die Frage, wie es kam, dass es kam: China war an die Kommunisten verloren. Mit Bezug auf Erdoğans Türkei lässt sich die Frage vielleicht mit größerer Berechtigung stellen. Die Türkei ist – anders als seinerzeit China – ein militärischer Verbündeter und wirtschaftlicher Partner des Westens. Doch wieder sind es die Amerikaner oder, genauer gesagt, ihr unablässig Konventionen sprengender Präsident, der die Türkei in die Arme des Iran und Russlands stößt.

Donald Trumps Straffeldzug gegen Ankara hat aus der anhaltenden Liraschwäche binnen einer Woche eine schwere Währungskrise gemacht. Die Sanktionen des US-Präsidenten gegen zwei türkische Minister waren für sich genommen belanglos, auf die Märkte jedoch wirkten sie verheerend. Die Verdoppelung der Strafzölle auf Stahl und Aluminium für türkische Exporteure, die Trump dann auch noch folgen ließ, versetzte der Lira einen neuen Stoß. Der US-Präsident nimmt das hin, vielleicht beabsichtigt er dies gar. Auf einen schwächelnden Nato-Verbündeten einzutreten ist noch keiner US-Regierung eingefallen.

Im Mittelpunkt des Streits zwischen den USA und der Türkei steht der Pastor. Andrew Brunson ist aus der Untersuchungshaft freigelassen worden und nun im Hausarrest in seiner Wohnung in Izmir. Trump will ihn zurück in den USA haben. Und das sofort. Erdoğan hat er keinen gesichtswahrenden Weg aus diesem Streit gelassen.

Eine Lösung ist deshalb auch nicht in Sicht. Wirtschaftlich steuert die Türkei auf ein Zwangsregime des Internationalen Währungsfonds zu. Der IWF sichert die Liquidität der Türkei, die im Gegenzug auferlegten Reformen werden Investoren beruhigen. Das außenpolitische Desaster jedoch kann der IWF nicht lösen: den Bruch zwischen den USA und der Türkei. (Markus Bernath, 13.8.2018)