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Ein Video der italienischen Feuerwehr zeigt einen Lkw, der offenbar knapp vor der Einsturzstelle zum Stehen kam.

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Bilder aus Genua ...

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... zeigen die zerstörte Brücke.

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Mindestens ein Sattelschlepper stürzte mit den Trümmern in die Tiefe.

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Genua – Nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke im italienischen Genua sind bei den nächtlichen Rettungsarbeiten weitere Leichen geborgen worden. Die Zahl der Toten stieg damit auf 42, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa am frühen Mittwochmorgen unter Berufung auf die Präfektur in Genua berichtete.

Unter den Opfern sind auch drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und dreizehn Jahren, wie die Ansa bereits in der Nacht unter Berufung auf das Innenministerium gemeldet hatte. Darüber hinaus seien 16 Menschen verletzt worden.

Der Polcevera-Viadukt, im Volksmund nach dem Architekten Riccardo Morandi auch Ponte Morandi genannt, überquert unter anderem Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet im Westen von Genua.

"ZiB Spezial" über den Einsturz der Brücke in Genua.
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Die Morandi-Brücke auf der Autobahn A10, der berühmten Urlaubsverbindung "Autostrada dei Fiori", stürzte in mehr als 40 Metern Höhe auf einem zwischen 100 und 200 Meter langen Stück ein. Laut Augenzeugenberichten wurden Autos in die Tiefe gerissen, Lastwagen landeten im Fluss Polcevera. Zahlreiche Fahrzeuge wurden unter herabfallenden Trümmern begraben.

Nach Angaben der Feuerwehr brach die Brücke gegen 11.30 Uhr bei strömendem Regen ein. Überlebende des Unglücks berichten der Ansa: "Gegen halb zwölf haben wir einen Blitz in die Brücke einschlagen sehen – und dann stürzte die Brücke in sich zusammen." Die Brückenteile prallten mit großer Wucht auf den Erdboden. Das größte Stück fiel in den Polcevera-Fluss, einige Teile trafen auch Fabrikhallen. Da in Italien derzeit Ferienzeit ist und im August das Land gewissermaßen stillsteht, dürfte laut Zivilschutz in den Hallen so gut wie niemand an der Arbeit gewesen sein.

In der Nähe der Brücke wurden nach dem Einsturz vorsichtshalber Gebäude geräumt. Mehr als 400 Menschen seien obdachlos, erklärte der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi. Ihm zufolge wird der Einsturz weitreichende Konsequenzen haben, da die Brücke komplett abgerissen werden müsse. Das werde "schwerwiegende Auswirkungen" auf den Verkehr haben und so Probleme für Bürger und Unternehmen bringen.

Zum Zeitpunkt der Tragödie waren nach Angaben der Betreibergesellschaft Autostrade per Italia Bauarbeiten im Gange. Demnach wurde an der Sohle des Polcevera-Viadukts gearbeitet, auf der Brücke selbst sei ein Baukran gestanden. Der Zustand der Brücke und der Fortgang der Renovierungsarbeiten seien immer wieder kontrolliert worden. Erst wenn ein gesicherter Zugang zur Unfallstelle möglich sei, könne Näheres über die Einsturzursache gesagt werden, teilte das Unternehmen mit.

Die Schrägseilbrücke wird von den Genuesen auch "Ponte di Brooklyn" genannt. Wie so viele Autobahnen stammt sie aus den 1960er-Jahren. Medien berichten immer wieder von der Gefahr einstürzender Brücken, von der Infrastruktur in Italien, die fatal veraltet und deren Lebenszeit auf 50 bis 60 Jahre begrenzt sei.

Die Vorwürfe in diesem Zusammenhang sind immer wieder die gleichen: Es werde zu wenig Geld in die Instandhaltung gesteckt – aber auch Korruption, Misswirtschaft und Vernachlässigung seien im Spiel. Der neue Verkehrsminister Danilo Toninelli beklagte im Radio, dass nicht genug für die Instandhaltung getan worden sei. "Es sind Tragödien, die in einem zivilisierten Land wie Italien nicht passieren dürfen."

Kritik an der Arbeit Morandis

Die Konstruktion der Brücke wurde bereits seit ihrem Bau kritisiert. Nicht ausgereifte Bautechnik sei zum Einsatz gekommen, sagt unter anderem der Zivilingenieur Helmut Wenzel in der ZIB2 am Dienstagabend. Keines der Werke des Architekten Riccardo Morandi würde man "heute so mehr bauen". Dass die Brücke zu alt gewesen sei, lässt Wenzel nicht gelten. Wären heute Brücken auf rund 120 Jahre Lebenszeit ausgelegt, seien es in den 60er-Jahren immerhin 70 Jahre gewesen. Damals habe man aber mit weniger hohen Temperaturunterschieden zu rechnen gehabt. Der Klimawandel spiele auch beim Baukonstruktionen eine Rolle, sagt der Zivilingenieur.

Brücken in den 60er-Jahren wurden für eine Lebensdauer von 70 Jahren gebaut, sagt Zivilingenieur Helmut Wenzel in der ZIB2.
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Salvini deutet Mitschuld der EU an

Innenminister Matteo Salvini machte am Dienstagabend eine mangelnde Instandhaltung der Brücke für das Unglück verantwortlich. Die Verantwortlichen müssten für das Desaster bezahlen, "alles bezahlen, teuer bezahlen", erklärte er. Salvini deutete zudem eine Mitschuld der EU für die Katastrophe an. Würde es keine Richtlinien aus Brüssel geben, wonach der Haushalt eines Staates ausgeglichen sein muss, hätte Italien mehr Geld für die Überprüfung von Brücken. "Wir sollten uns fragen, ob es wichtiger ist, sich an die Vorgaben zu halten oder die Sicherheit der italienischen Bürger in den Vordergrund zu stellen", sagte der Innenminister am Mittwoch: "Für mich ist es das offenbar nicht."

Der frühere Verkehrsminister Graziano Delrio sagte laut Ansa, es sei respektlos gegenüber den Opfern, politische Spekulationen aufzuwerfen.

"Riesige Tragödie"

Toninelli schrieb auf Twitter, es zeichne sich eine "riesige Tragödie" ab. Das Unglück belege den maroden Zustand der Infrastruktur in Italien und die Wartungsmängel, sagte er dem staatlichen Fernsehen. Die Verantwortlichen würden dafür büßen müssen. Sein Ministerium werde Klage gegen den Autobahnbetreiber Autostrade einreichen, falls ein Gericht eine Untersuchung einleiten werde. Am Mittwoch forderte er schließlich die Führung des Betreibers der Brücke zum Rücktritt auf. Zugleich kündigte Toninelli an, dass dem Unternehmen die Lizenz zum Betrieb der Straße entzogen werden solle und es mit Strafzahlungen von bis zu 150 Millionen Euro belegt werden könnte.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich erschüttert über den Einsturz. Er sei tief betrübt über die Katastrophe, sagte Juncker am Dienstag. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und andere EU-Politiker drückten ihr Mitgefühl aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bot der italienischen Regierung Hilfe an. (APA, red, 15.8.2018)