Keine Hypothese, sondern ein Naturgesetz: Überschüssige Energie wandelt der Körper in Fett um. Es kommt also auf die Energiebilanz an.

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Rund um die Ernährung ranken sich zahlreiche Mythen. Etwa jene, dass der Mensch im Sommer weniger Kalorien zum Verbrennen braucht, da an heißen Tagen für das Kühlen des Körpers weniger Energie notwendig ist. "Das stimmt nicht", sagt Matthias Blüher, Ernährungsmediziner von der Universität Leipzig.

Bei extremer Hitze oder Kälte ist der Energieverbrauch unseres Körpers generell erhöht. Sowohl beim Frieren als auch beim Abkühlen benötigen wir mehr Energie. Auch, dass man im Sommer oder im Winter unterschiedlich gute Chancen hat, abzunehmen, ist unrichtig. Der einzige Unterschied liegt im Ernährungsverhalten: Im Sommer nehmen viele typischerweise leichtere und kalorienärmere Mahlzeiten zu sich, im Winter haben wir mehr Gusto auf deftige Speisen.

Besonders bei heißen Temperaturen setzen viele auf Obst-Snacks. Davon kann man so viel essen, wie man will, denn Obst ist in jedem Fall gesund, meinen viele Menschen. "Leider ist das nicht ganz richtig, denn auch beim Obst macht die Dosis das Gift", meint Blüher. Früchte können auch eine ganze Menge an Kalorien und Kohlenhydraten enthalten. Die Forschung hat gezeigt, dass Fruktose, die wir verstärkt in Obst finden, einen ganz wesentlichen Beitrag bei der Entstehung der Fettleber leisten kann. Allerdings müssen dazu schon sehr große Mengen an Fructose aufgenommen werden.

Von wegen: Selbst schuld

Abends essen macht dick, ist ebenfalls eine weit verbreitete Meinung . "Das stimmt und stimmt auch nicht", so der Ernährungsmediziner. Auch hier kommt es wieder darauf an, wie viel zum Abendessen auf den Tisch kommt. Man geht zwar davon aus, dass die Kalorien am Abend nicht gleich wieder verbrannt werden können, weil man dann ins Bett geht, letztendlich gibt es aber keinen Beweis dafür, zu welcher Tageszeit Kalorien fürs Gewicht schädlicher sind. Was vielmehr zählt ist die Gesamtmenge, die über den Tag verteilt aufgenommen wird.

Ein weiterer Trugschluss: Mit Light-Produkten nimmt man ab. "Auch das stimmt leider nicht", muss Bühler Abnehmwillige enttäuschen. In Light-Produkten wird Zucker oft durch Zuckerersatzstoffe ausgetauscht. Diese Ersatzstoffe können mehr Appetit machen oder direkt auf unsere Darmbakterien wirken. Light-Produkte können also indirekt dazu beitragen, dass man mehr Appetit hat und nicht abnimmt – auch wenn es der Name anders verspricht.

Ein häufiges Vorurteil: Übergewichtige und adipöse Menschen sind selber schuld an ihrem Übergewicht. "Auch das stimmt nicht. Wir wissen heute zum Beispiel, dass genetische Faktoren eine ganz große Rolle bei der Ausprägung von Übergewicht und Adipositas spielen. Auch hormonelle Faktoren sind relevant. All diese Faktoren kann der Einzelne nicht aktiv beeinflussen", erklärt der Ernährungsmediziner.

Außer Kontrolle

Ein gängiger Ratschlag: Übergewichtige müssen einfach weniger essen und mehr Sport treiben, dann nehmen sie schon ab. "Das stimmt zwar, doch leider funktioniert das in der Praxis kaum", relativiert der Experte. Studien konnten zeigen, dass Abnehmkonzepte, die nur darauf basieren weniger zu essen und sich mehr zu bewegen, langfristig versagen. "Woran das liegt, wissen wir nur zum Teil. Es ist sehr wahrscheinlich, dass unser Körper ein einmal erreichtes Gewicht hervorragend verteidigen kann. Hier greifen verschiedene Mechanismen ineinander, die dazu führen, dass der Körper immer wieder zu seinem maximal erreichten Gewicht zurück möchte", vermutet Blüher.

Zu diesen Faktoren gehören beispielsweise die Verwertung der aufgenommenen Kalorien aus der Nahrung sowie die Regulation von Grundumsatz, Appetit und Sättigung. Auch diese Faktoren können wir nicht bewusst kontrollieren.

Adipositas ist eine Erkrankung und die Ursachen der Adipositas sind der Wissenschaft zur Gänze bekannt. "Den ersten Teil der These kann ich bejahen. Wir sehen Adipositas als eine Erkrankung an und stehen damit nicht allein da – auch die Weltgesundheitsorganisation definiert Adipositas mittlerweile als eine Erkrankung. Den zweiten Teil des These muss ich verneinen: Wir sind immer noch bemüht, die Ursachen der Adipositas-Entstehung für den einzelnen Menschen und auf gesellschaftlicher Ebene komplett zu verstehen. Nur für wenige, einzelne Fälle können wir bislang einen klaren Zusammenhang etwa zwischen dem Defekt eines Gens und der Ausprägung von Adipositas herstellen", so der Experte. (red, 14.8.2018)