Wien – Die Bank Austria verschenkte im vergangenen Sommer offensichtlich unfreiwillig Geld, wie der Betrugsprozess gegen Zsolt K. zeigt. Denn im Computersystem zur kontaktlosen Bezahlung mittels NFC (Near Field Communication), bei der eine Bankomatkarte nur an ein Lesegerät gehalten wird und kein Code eingegeben werden muss, steckte ein Fehler.

Eine "Kinderkrankheit", wie die informierte Vertreterin des Geldinstituts als Zeugin Richterin Petra Poschalko erzählt. Die (mittlerweile behobene) technische Unpässlichkeit hätte allerdings enormen Schaden verursachen können, wenn sie sich herumgesprochen hätte. Der 37-jährige Angeklagte beispielsweise soll innerhalb von fünf Tagen widerrechtlich um über 10.000 Euro eingekauft haben.

Am 9. August 2017 eröffnete Herr K., slowakischer Staatsbürger und arbeitslos, bei der Bank Austria in Ottakring ein Konto. "Dafür braucht man eigentlich nur einen Ausweis", erklärt die Vertreterin der Bank der Richterin. Zwei Tage später wurde der PIN-Code an eine Wiener Adresse geschickt, am 16. August die Bankomatkarte.

Keine Überprüfung der Kontodeckung

Vom 18. bis zum 23. August wurde dann in der Slowakei teilweise im Minutentakt die Karte über die Lesegeräte gezogen. Denn, wie die Bank-Austria-Zeugin sagt: "Das System hatte Kinderkrankheiten, da erst ab einer Summe von über 25 Euro geprüft wurde, ob das Konto gedeckt ist." K.s Konto war das nicht, es wurden aber auch nie mehr als 25 Euro abgebucht. Ob ab der fünften Verwendung pro Tag die Verwendung des PIN-Codes notwendig war oder auch dieses Sicherheitssystem versagt hat, kann die Zeugin im Gerichtssaal nicht beantworten.

Sie versucht auf Bitten Poschalkos und des Staatsanwalts, die Antworten auf diese und andere Fragen fernmündlich zu ermitteln. Sie lässt sich mit der Filiale in Ottakring verbinden – und hängt in der Warteschleife. Auch ein zweiter Versuch bleibt erfolglos. "Es ist nicht leicht, jemanden bei der Bank zu erreichen, wie ich privat weiß", merkt die Richterin milde lächelnd an. "Mittlerweile hebt nicht einmal in der Telefonzentrale mehr jemand ab", entschuldigt sich die Zeugin.

Ob der PIN-Code eingegeben wurde und wo in der Slowakei die Umsätze getätigt wurden, könnten nur zwei IT-Spezialisten in der Bank eruieren, stellt sich schließlich heraus. Was sie aber sagen kann: "Wir hatten drei solche Schäden, alle Verdächtigen hießen K. mit Nachnamen und kamen aus demselben Ort in der Slowakei."

Arbeitssuche in Caritaseinrichtung

Doch was sagt der Angeklagte zu den Vorwürfen? "Ich habe nichts gemacht, ich wusste von nichts", behauptet er. "Ich bin nach Wien gekommen, um Arbeit zu finden, ich habe neun Kinder", erzählt der Vorbestrafte. "In einer Caritas-Einrichtung habe ich dann einen serbischen Rom kennengelernt, der mir Arbeit versprochen hat und Micki angerufen hat."

Mehr als den Spitznamen kennt er nicht, mit dem Unbekannten und dessen Frau sei er jedenfalls zur Bank Austria gegangen, um ein Konto zu eröffnen. "Er hat gesagt, das braucht er für die Firma." – "Welche Firma?", fragt die Richterin. "Die, bei der ich arbeiten könnte." Er habe aber weder eine Karte noch einen Code erhalten, an der registrierten Postanschrift habe er nie gewohnt.

Mickis Unternehmen scheint einen hohen Bedarf an Konten gehabt zu haben, denn am nächsten Tag eröffnete K. eines bei der Erste Bank. Unter Vorlage dreier gefälschter Lohnzettel, was einen anderen Trick ermöglichte, wie ein Angestellter des Instituts als Zeuge aussagt. "Es wurde dann gleich ein Überziehungsrahmen von 1.800 Euro vereinbart. Ein paar Stunden später ist der Herr in Begleitung eines weiteren Mannes wieder gekommen und hat das Geld abgehoben, wie man auf den Aufnahmen der Überwachungskamera sehen kann."

Zuseherin erstattet Schaden in bar

"Micki hat das Geld genommen", verteidigt sich der Angeklagte. "Ja, aber Sie haben es abgehoben!", merkt Poschalko an. "Nein, er hat es behoben." – "Man sieht ja, dass Sie unterschreiben. War das der Vorschuss für die Arbeit, die Sie nie gemacht haben?", wundert sich die Richterin. Der Zeuge der Erste Bank kann allerdings zufrieden den Saal verlassen: Eine Frau aus der zahlreichen Zuhörerschaft, die den Angeklagten begleitet, ersetzt die 1.800 Euro in bar.

Verteidiger Michal Slany versucht im Schlussplädoyer pflichtgemäß, seinen Mandanten im besten Licht darzustellen. "Er ist selbst Betrugsopfer und hat nicht genau gewusst, was er macht. Er ist ein einfacher Mensch, der nur sechs Jahre die Schule besucht hat, stammt aus einer Roma-Familie am Rande der Gesellschaft." Der Rechtsvertreter glaubt auch an die serbische Verbindung, man könne schließlich nicht nachweisen, wer die Sicherheitslücke ausgenutzt habe.

Die Richterin zeigt sich mäßig beeindruckt. Sie verurteilt K. zu 15 Monaten Haft, fünf davon unbedingt. "Ich denke, Sie haben genau gewusst, was Sie machen, vielleicht sind auch andere Verwandte von Ihnen verwickelt. Aber die Einkäufe wurden alle in der Slowakei getätigt, warum sollte ein Serbe extra dort hinfahren?", begründet sie. Weder der Angeklagte noch der Staatsanwalt geben eine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 16.8.2018)