Seit Jahrzehnten gilt das Silicon Valley als Geburtsort neuester Technologien. Neuerdings wird dort an technologischen Möglichkeiten gearbeitet, um die Fähigkeit des Menschen zu Empathie und Bewusstseinserweiterung zu fördern. Im Juni hat sich das Team des Forschungsprojekts Loving AI für eine Testreihe mit dem Künstliche-Intelligenz-Roboter Sophia im Trans Tech Lab in Palo Alto, Kalifornien, getroffen.

Dabei interagierten über fünfzig Freiwillige mit dem Roboter und meditierten sogar unter seiner Anweisung. Das erklärte Ziel dabei ist, dass die Teilnehmer durch die künstliche Intelligenz bedingungslose Liebe erlernen. Das Loving-AI-Team hofft, dass diese Ergebnisse einmal für eine neue Psychologie an der Schnittstelle von Menschen und Robotern relevant sind.

Die Roboterfrau Sophia steht im Mittelpunkt des Forschungsprojekts Loving AI (liebende künstliche Intelligenz) am Institute of Noetic Sciences in Petaluma, Kalifornien, wo die Psychologin Julia Mossbridge untersucht, warum künstliche Intelligenz die Menschen ausgerechnet in Sachen Liebe weiterbringen soll.
Foto: APA / AFP / Isaac Lawrence

Spirituelles Wachstum durch Technik

Nicht nur solide finanzierte Testings wie das Projekt Loving AI finden ihren Platz in der Hochburg des technologischen Fortschritts. Es gibt auch immer mehr junge Menschen aus allen Ecken der Welt, die hier einen unkonventionellen Weg wählen und durch Crowdfunding oder Selbstfinanzierung an ihren Projekten arbeiten.

So auch ein kleiner Kreis an Wissenschaftern, Programmierern und Technikern, die sich im Süden von San Francisco zusammengetan haben. Sie sind jung, ehrgeizig und nicht zuletzt getrieben, die Zukunft aktiv mitzugestalten. Ihr Name: Consciousness Hacking. Ihre Mission: Sie wollen nichts Geringeres, als eine globale Gemeinschaft zu schaffen, die Technologie als Katalysator für psychologisches, emotionales und spirituelles Wachstum erforscht.

Wiener Gruppe mit 1000 Mitgliedern

Consciousness Hacking, kurz CH, entstand 2014 in der kalifornischen Küstenstadt Santa Cruz. CH-Gruppierungen gibt es mittlerweile auf der ganzen Welt – von London und Cambridge über Berlin, München, Madrid und Tel Aviv bis hin nach Melbourne und Bali. Auch in Wien gibt es eine Gruppe, die sich regelmäßig trifft und deren Onlinegruppe über 1000 Mitgliedern zählt.

San Francisco fungiert als Mutterstation mit monatlichen Meet-ups. Dort werden Themen an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Technologie und Bewusstsein diskutiert. Die letzte Zusammenkunft fand kürzlich in einem geräumigen Haus im kalifornischen San Mateo County statt – umrahmt von Wäldern, Wiesen und dem am Horizont funkelnden Pazifik. "Es ist der ideale Ort. Er bietet die besten Voraussetzungen, um den Geist zu öffnen und seine kreative Kraft anzuregen", sagt Mikey Siegel, das Mastermind hinter Consciousness Hacking.

Der humanoide Roboter Sophia wurde vom Hongkonger Unternehmen Hanson Robotics entwickelt.
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Esoterische Ansagen und technologische Innovationen

Siegel studierte an der Universität Kalifornien / Santa Cruz Computerwissenschaften, bevor er seine Tätigkeit am Nasa Ames Research Center im Bereich Human-Robotic Interaction aufnahm. Sein neuestes Projekt ist die Open-Source-Plattform Groupflow, welche anhand von fortschrittlichen Sensoren Herztöne sowie den Rhythmus des Atems in Licht und Klang umwandelt. Im weltweit ersten Projekt seiner Art können damit 24 Personen gleichzeitig Biofeedback in Form und Licht und Klang erhalten.

In verschiedenen Settings wollen Siegel und sein Team erreichen, mit so einer Vorrichtung das Bewusstsein der Teilnehmer zu erweitern und ihre Verbundenheit zu fördern. Dass dabei esoterisch anmutende Ansagen auf technologische Innovationen treffen, zeigt sich bei einem Besuch eines Experiments von Consciousness Hacking mit Testpersonen.

Mikrokontroller und Sensoren

Die Vorbereitungszeit für ein derartiges Experiment dauert etwa zwei Stunden. Sie umfasst die Konfiguration der Soft- und Hardware, welche aus drei Audioschnittstellen, einem zentralen Computer, vier Mikrocontrollern, 24 Sensoren und Kopfhörereinheiten besteht.

Jeder Teilnehmer erhält als Ausstattung Kopfhörer, eine RGB-Leuchtdiode und einen physiologischer Signalverstärker. Letzterer nimmt extrem winzige vom menschlichen Körper erzeugte Biopotenziale wahr und übersetzt sie in eine Form, die Computer-Frameworks verstehen können. Dieser Verstärker kann etwa EKG, EEG, Atmung, Blutvolumenimpulse und Hauttemperatur erfassen.

Bei einem TEDx in Santa Cruz, Kalifornien, präsentierte Mikey Siegel seine Idee von Consciousness Hacking.
TEDx Talks

Lichterkugeln zu Biosignalen

In einem Kreis sitzend und mit Sensoren am Körper befestigt, werden computergesteuerte, farbige Lichterkugeln vor jedem Teilnehmer platziert. Diese verfolgen die Biosignale, zusammen mit einem zentralen kugelförmigen Lichtdisplay in der Mitte des Raumes, welches die Signale auf verschiedene Weise spiegelt.

Während im ersten Teil des Experiments unterschiedliche Tonhöhen die Atmungstiefe beschreiben, nehmen die Lichterkugeln entsprechende Leuchtintensitäten an. Unterdessen nehmen die Teilnehmer über die Kopfhörer ihre eigene, in Klang umgewandelte Atmung wahr.

Die ausschließliche Wahrnehmung von Klang und Licht, ebenso die Besinnung auf die Atmung selbst erinnern an die Atemmeditation, eine Meditationsübung, bei der man sich entweder auf die Nasenspitze oder auf das Heben und Senken des Bauchraumes konzentriert, um die Gedanken zu beruhigen. In kalifornischen Setting fokussiert man sich auf Klang und Licht.

Achtsamkeit und Ablenkung

Warum bedarf es neuer Technologie als Werkzeug für Selbsterfahrung? Mikey Siegel sagt dazu: "Die meisten technologischen Errungenschaften haben nur wenig mit Bewusstsein und Achtsamkeit zu tun. Sie lenken uns ab oder lenken unsere Aufmerksamkeit ganz auf sich, damit Unternehmen daraus Profit schlagen, etwa unsere Smartphones oder Computer."

Siegel findet jedoch, dass das unbedingt so sein muss. "Technologie hat das Potenzial, sich in eine neue Richtung zu entwickeln: weg von Isolierung, hin zu zwischenmenschlicher Verbundenheit, Wellbeing und Selbstfindung."

Im zweiten Teil des Experiments steht das Herz im Mittelpunkt. Das ist insofern aufregender als der erste Teil, da hier die elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern in Licht- sowie Klangimpulse umgewandelt werden und diesmal die Teilnehmer die Möglichkeit haben, nicht nur die eigenen, sondern auch die ihres Nachbarns wahrzunehmen. So hält man die Lichterkugel des anderen in der Hand, hört dessen Herzschlag, während man einander minutenlang in die Augen sieht. Dabei fließt sogar die eine oder andere Träne.

Bei Consciousness Hacking fokussiert die Gruppe auf den Herzschlag eines Teilnehmers – visualisiert durch die Lichtkugel in der Mitte.
Foto: Mikey Siegel

Herzschlag wird sichtbar

Zum Abschluss des Experiments wird der Einzelne mit dem zentralen Lichtdisplay in der Mitte des Raums verbunden. Hier ist die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf den Herzschlag nur eines Teilnehmers fokussiert, der sich wieder durch Klang und Licht ausdrückt. In diesem Setup ist man der Situation völlig ausgeliefert, denn im Gegensatz zur Atmung ist der Herzschlag nicht steuerbar. Ohne Zweifel eine intime Erfahrung für die meisten Teilnehmer.

Am Ende des Tages in San Mateo County stellt sich noch die Frage, wo Mikey Siegel und sein Team überall Einsatzmöglichkeiten von Groupflow sehen. Von virtuellen Meetings, Paartherapie oder berufliche Treffen, kann sich der junge Unternehmer viele Anwendungsbereiche vorstellen. Am besten fände er freilich, wenn sich die ganze Welt mit Consciousness Hacking beschäftigen würde: "Jeder, der hier teilnimmt, trägt seinen Teil zu mehr Bewusstsein in unserer Gesellschaft bei." (Conny Lechner, 17.9.2018)