Vom Kabelbinder über die profane Steckdose bis zur Waschmaschine an die Kunden liefern, das klingt nach einem reichlich unkomplizierten Geschäftsmodell. Ist es aber nicht. Die Digitalisierung macht auch vor Traditionsbranchen nicht halt.

Foto: Rexel

Technische Verkaufsberater in Wien, Graz und Salzburg, Vertriebsaußendienstlerin in Kärnten, Sachbearbeiter in Oberösterreich: Martin Maurer sucht Personal. "Die Stellen zu besetzen wird immer schwieriger", sagt er. Die Lage habe sich in den letzten eineinhalb Jahren zugespitzt.

Maurer ist Personalchef beim österreichischen Elektrogroßhändler Rexel mit Zentrale in Wien und 17 Standorten österreichweit. Das Spektrum der Kunden reicht vom Ein-Mann-Elektrikerbetrieb über den Fachhändler bis zu Industriebetrieben wie der Voestalpine. "Die durchschnittliche Suchdauer ist um rund einen Monat gestiegen. Gab es vorher zwei bis drei Bewerber auf eine Stelle, die zu uns passen, sind es jetzt einer bis zwei." Die Schwierigkeit laut Maurer: "Der Pool, aus dem wir unsere Fachkräfte schöpfen, ist beschränkt."

Auch anderen Firmen geht es so. Laut Wirtschaftskammer ist es das Thema Nummer eins in den Personalabteilungen. Dank des massiven Wirtschaftswachstums brummt die Konjunktur, die Betriebe schaffen so viele Jobs wie nie zuvor. Der Befund der Unternehmer deckt sich mit den Ergebnissen einer vom Beratungsunternehmen EY durchgeführten Studie zum Fachkräftemangel in Österreichs Mittelstand im Februar.

Neue Kompetenzen

Die Lage werde immer bedrohlicher und dämpfe das Wachstum massiv, heißt es da. Besonders stark sei der Handel betroffen. Hierzulande dominiere immer noch der stationäre Handel, wo es darum ging, Filialen zu bauen und Regalmeter zu befüllen, erklärt Erich Lehner, Partner bei EY Österreich. Künftig brauche es andere Kompetenzen: "Der Händler erhebt und nutzt Informationen aus vielfältigen Quellen, um Kunden individuell über mehrere verschränkte Kanäle – Stichwort Omnichannel – mit einem bedürfnisorientierten Angebot anzusprechen." Die nötigen Spezialisten zum Beispiel mit Daten- und IT-Kompetenz gibt es derzeit kaum.

Die Digitalisierung sei für alle Unternehmen eine Herausforderung, relativiert Ökonomin Julia Bock-Schappelwein vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo. "Auch Fachkompetenzen zum Beispiel als Elektriker oder Schlosser reichen nicht mehr – dazu braucht es IT-Kompetenz." Die Betriebe müssen nachqualifizieren, was zum Teil mit einem hohen Aufwand verbunden sei.

Personaler Martin Maurer sagt, die einzige Lösung sei es, die Mitarbeiter selbst auszubilden. Die Fähigkeiten, die man in der Firma brauche, gebe es nicht am Markt. Die Elektrotechniker brauchen etwa auch Vertriebswissen. Rexel ist im Elektrotechnikbereich einer der größten Schulungsanbieter für Kunden: bei Produktschulungen, aber auch wenn es um neue Normen gehe. Die Digitalisierung kommt noch obendrauf, und das mit immer größerem Tempo.

Neue Lehrausbildung

Strukturelle Veränderungen dauern in Österreich hingegen bekanntlich lange. Immerhin gibt es neuerdings eine neue Lehrausbildung zum E-Commerce-Kaufmann. Das findet Maurer gut. Dafür gibt es das Berufsbild des Elektrogroßhändlers zwar in Deutschland, hierzulande aber nicht – ein Mangel, findet Maurer. Bock-Schappelwein sieht an der Entwicklung auch das Gute. Sie hat sich intensiv mit dem Thema "Arbeitsmarktchancen durch die Digitalisierung beschäftigt". Die positiven Aussichten: Physisch anstrengende Jobs und Routinetätigkeiten werden weniger, die neu entstehenden Jobs altersunabhängiger. Das lindert künftig möglicherweise auch die Not der Unternehmen, weil etwa ältere leichter länger im Job bleiben können.

Für Maurer ist das derzeit ein schwacher Trost. Auch Lehrstellen zu besetzen werde schwieriger. Was er bei den Bewerbern sieht: "Die Qualität der Kandidaten ist unterschiedlicher geworden, in Summe ist sie aber gesunken, wobei es ein West-Ost-Gefälle gibt. Im Osten gibt es zwar mehr Interessenten, aber die Qualität ist abnehmend." Deswegen ist eines seiner Projekte eine firmeninterne Lehrlingsoffensive. Was derzeit eher lokal passiert, soll künftig zentralisiert werden.

Grundsätzlich findet er, dass die Lehre einen höheren Stellenwert haben sollte: "Die ganze Welt beneidet uns um die duale Ausbildung und kopiert das auch. Sie müsste auch bei uns höher geschätzt werden." (Regina Bruckner, 16.8.2018)