Nützliche Bestäuber, bedrohte Hautflügler: Hummeln werden vom Wirkstoff Sulfoxaflor beeinträchtigt.

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London – Auch ein Ersatz-Schädlingsgift für die teils in der Landwirtschaft verbotenen Neonicotinoide schädigt Hummeln. Das berichten Forscher der Royal Holloway University of London im britischen Fachmagazin "Nature". Für ihre Studie untersuchten sie Insektizide mit dem Wirkstoff Sulfoxaflor, der in mehreren Ländern bereits zugelassen ist, seit Juli dieses Jahres auch in Österreich. Das Ergebnis: Dunkle Erdhummeln (Bombus terrestris), die der Substanz ausgesetzt waren, hatten viel weniger Nachkommen als normal.

Neonicotinoide hatten lange in der Landwirtschaft den Ruf einer Wunderwaffe, weil sie Fressfeinde der Pflanzen töten, aber nützliche Insekten angeblich nicht. Nach und nach entdeckten Forscher allerdings, dass die Substanzen doch Bienen und andere Pflanzenbestäuber schädigen können. Ihr Einsatz in Österreich ist zum Teil untersagt. Sulfoxaflor galt bisher als geeigneter Ersatzkandidat in der Agrarwirtschaft.

54 Prozent weniger Nachkommen

Das Team um Harry Siviter setzte für die Studie 25 Hummel-Völker zwei Wochen lang Sulfoxaflor in Konzentrationen aus, wie sie nach dem Einsatz auf Feldern auftreten würden. Schon nach zwei bis drei Wochen zeigten sich deutliche Unterschiede im Vergleich zu 26 unbehandelten Kolonien: Bei den mit Sulfoxaflor in Kontakt gekommenen Hummel-Völkern ging der Nachwuchs insgesamt um 54 Prozent zurück. Der Einsatz des Ersatzstoffes könnte Langzeitfolgen für die Bestände haben – ähnlich wie bei Neonicotinoiden, schreiben die Forscher.

Mit Blick auf das Verhalten bei der Futtersuche der Hummeln und ihrer Pollenfracht stellten die Forscher aber keine Unterschiede fest. Vor der Zulassung müssten neue Insektizide umfangreich überprüft werden, fordern die Wissenschafter.

"Das Ergebnis ist keine Überraschung", sagte Christine Vogt, Referentin für Landwirtschaft am Umweltinstitut München. Denn Sulfoxaflor wirke ähnlich wie Neonicotinoide und gefährde auch Bienen. Dennoch sei der Wirkstoff auf EU-Ebene zugelassen. "Die fertigen Mischungen müssen von den einzelnen Ländern genehmigt werden. In Deutschland sind mindestens drei Anträge gestellt worden."

Teilverbot für Neonicotinoide

Die EU-Staaten stimmten im vergangenen Frühjahr mehrheitlich für ein Freilandverbot von drei Neonicotinoiden: Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. Diese Insektizide dürfen künftig nur noch in Gewächshäusern, aber nicht mehr auf Feldern angewendet werden. Die Entscheidung tritt noch in diesem Jahr in Kraft. Dann müssen Landwirte andere Substanzen im Kampf etwa gegen Maiswurzelbohrer und Rapsglanzkäfer einsetzen.

Studien zufolge schädigen diese Neonicotinoide Wild- und Honigbienen erheblich – mit dramatischen Folgen für die Landwirtschaft. So können die Stoffe etwa die Lern- und Orientierungsfähigkeit der Bienen beeinträchtigen und die für die Bestäubung wichtigen Insekten sogar lähmen und töten. Die Moleküle werden auch von Blüten und Pollen aufgenommen und verbreiten sich so in der Umwelt.

Andere Neonicotinoide sind hingegen nicht von dem Freilandverbot der EU-Staaten betroffen. Sie sollen die Insekten weniger schädigen, gelten aber auch als nicht so wirksam in der Landwirtschaft. (APA, red, 16.8.2018)