Wien – Staatsanwalt Bernhard Mascha findet in seinem Schlussplädoyer im Prozess gegen Halid H. klare Worte. "Bei der Einführung des Paragrafen gab es von manchen Kritik, dass ein Rosenkavalier, der einen Strauß Blumen schickt, verfolgt werden könnte. Aus der täglichen Erfahrung wissen wir mittlerweile, dass das nicht stimmt. Stalking ist massive psychische Gewalt, wie man auch in diesem Fall sehen kann", fordert der Anklagevertreter von Richterin Sonja Weis eine unbedingte Haftstrafe für den 49-jährigen Angeklagten, der seine Ex-Partnerin via soziale Medien beharrlich verfolgt haben soll.

Das Ungewöhnliche an diesem Fall: H. hat wegen exakt desselben Delikts mit demselben Opfer bereits zwei Vorstrafen aus dem Vorjahr und saß sogar sechs Monate im Gefängnis. Umso überraschender, dass sich der Kellner für "nicht schuldig" erklärt und damit auf den wichtigsten Milderungsgrund verzichtet.

Vierjährige Affäre endete Anfang 2017

Seine Begründung: "Ich habe sie nach der Haftentlassung nur kontaktiert, da sie noch Unterlagen, einen Tresorschlüssel und ein gemeinsames Sparbuch von mir hatte." Drei-, vielleicht viermal habe er der 22-jährigen D., mit der er vier Jahre bis Anfang 2017 eine Affäre gehabt hat, deshalb geschrieben, behauptet der verheiratete dreifache Vater. Er gibt auch zu, einige Fakeprofile angelegt zu haben, da ihn D. in den Netzwerken blockiert habe.

Ungünstig für H. ist, dass Weis im Akt Screenshots der Botschaften hat. "Das waren ein paar mehr Nachrichten als drei bis vier. Und in keiner ist von einer Übergabe von Dingen die Rede, da geht es nur um irgendwelche Liebesschwüre", hält die Richterin dem Angeklagten vor. Privatbeteiligtenvertreterin Elisabeth Bischofreiter kann weitere Nachrichten vorlegen, deren Tenor zunehmend bedrohlicher wurde. "Du bekommst, was Du verdienst", ist zu lesen, oder "Du weißt, ich finde alles heraus." Der Angeklagte gibt sich zerknirscht. "Es tut mir leid, ich will jetzt keine Beziehung mehr", beteuert er.

Allerdings: Selbst zwei Tage vor der Verhandlung verfasste er noch eine Botschaft. "In zwei Tagen große Entscheidung, denk gut nach, mein Herz, denk gut", lautete sie. Das sei keine Drohung gewesen, versichert der Bosnier. 100 Euro dagegen, die er am 1. April auf D.s Konto überwies, seien "von Herzen gekommen. Ich habe ihr jedes Jahr zu Weihnachten und Ostern Geschenke gemacht." Dass die Studentin das Geld postwendend zurückschickte, scheint ihn nicht irritiert zu haben.

Irritierter Fitnesscenter-Besitzer

Die junge Frau berichtet, dass nicht nur sie von den virtuellen Nachstellungen betroffen sei. "Er hat um die 80 Fakeprofile, mit denen er auch meine Freunde angeschrieben hat. Ich muss fast wöchentlich Leuten erklären, was da los ist." Selbst der Betreiber ihres Fitnesscenters habe sie schon angesprochen, da der teilweise eine Stunde damit beschäftigt war, auf der Facebook-Seite seines Studios H.s Einträge zu löschen. Sie leide auch psychisch und will 1.500 Euro für seelische Schmerzen.

Der Bewährungshelfer des Angeklagten plädiert für eine Therapie statt Gefängnis. Weis folgt dem nicht. Sie verurteilt H. nicht rechtskräftig zu zehn Monaten unbedingter Haft, dazu kommen zwei Monate der offenen Vorstrafe. D. muss er 1.500 Euro zahlen. (Michael Möseneder, 16.8.2018)