Temelin/Linz/Wien – Seit 1985 nutzt Tschechien Atomkraft, ein Endlager fehlt nach wie vor. Neben großteils nach geologischen Kriterien ausgewählten Standorten werden nun auch zwei Orte nahe den AKWs Temelín und Dukovany geprüft – weil hier der geringste Widerstand der Bevölkerung zu erwarten sei, vermuten Kritiker. Der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) zeigte sich bei einer Pressefahrt nach Temelín am Donnerstag "alarmiert".

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Nachdem der nur 17 Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernte Truppenübungsplatz Boletice ausgeschieden wurde, gibt es nun neun mögliche Lagerorte. Sieben werden aktuell geologisch geprüft, zudem wird an einer Machbarkeitsstudie für Endlager an den AKW-Standorten Dukovany und Temelín gearbeitet.

Die Liste soll noch heuer auf vier und bis 2025 auf zwei Standorte reduziert werden, bevor die endgültige Entscheidung fällt. Der Baubeginn ist für 2050 geplant, 2065 sollen die ersten radioaktiven Abfälle eingelagert werden.

Kein Endlager in Europa

Die Anforderungen an ein Endlager sind hoch. In Deutschland gehe man davon aus, dass man die Abfälle eine Million Jahre lang sicher verwahren müssen, "das ist de facto unmöglich", sagte Anschober in Temelín. "In Europa gibt es kein einziges in Betrieb befindliches Endlager", wohl auch weil – neben den technischen und geologischen Anforderungen – der Widerstand der Bevölkerung so hoch sei.

In den Atomkraftwerken Temelín und Dukovany fallen jährlich 100 Tonnen ausgebrannte Brennstäbe an, das macht für die Laufzeit der sechs AKW-Blöcke im Land rund 3.500 Tonnen an radioaktivem Abfall. Rechnet man die von Tschechien gewünschte Laufzeitverlängerung und den angepeilten Bau dreier weiterer Blöcke ein, kommt man auf knapp 10.000 Tonnen, die das Lager fassen müsste.

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Auch ein Standort nahe dem AKW Temelín wird als tschechisches Atommüllendlager geprüft.
Foto: REUTERS/David W Cerny

Rein geologische Kriterien für Auswahl

Sechs derzeit geprüfte Standorte – Čertovka, Březový potok, Magdaléna, Čihadlo, Hrádek und Horka – seien nach rein geologischen Kriterien ausgewählt, sagt Oberösterreichs Anti-Atom-Beauftragter Dalibor Strasky. Dann sei noch Kraví hora dazugekommen, wo es alte Uranminen gibt, sowie die beiden Flächen bei Temelín und Dukovany – diese drei Orte zeichneten sich wohl dadurch aus, dass die Bevölkerung dort bereits länger mit der Atomkraft lebe, die Gemeinden rund um die AKWs teils kräftig vom Energieversorger ČEZ unterstützt würden und so der Widerstand geringer ausfallen dürfte als in den übrigen Gemeinden, wo er sich deutlicher regt.

2016 wurde eine Plattform gegen das Endlager in Tschechien gegründet, an der 31 Gemeinden und 14 Vereine beteiligt sind. Plattformsprecher Petr Nohava kritisiert vor allem die mangelnde Transparenz bei der Standortwahl. Die Kriterien seien unklar, entschieden werde hinter verschlossenen Türen. "Wenn der Staat nicht in der Lage ist, ein Auswahlverfahren transparent zu führen, wie will er dann die Sicherheit gewährleisten?", fragt Nohava.

Gneis statt Granit

Experten zweifeln stark an der Eignung des Standorts Temelín Süd (Janoch). Der Untergrund der 31 Quadratkilometer großen Fläche besteht aus Gneis, bisher habe aber immer Granit als Gestein der Wahl gegolten, sagt Strasky. Das Endlager sei in rund 500 Metern Tiefe geplant, erklärt Edvard Sequens vom Umweltverein Calla, aber beispielsweise beim Kühlwasserstausee reduziere sich das auf etwa 350 Meter.

Auch die Erdbebensicherheit ist ein Thema. Hier gelte dasselbe wie für das AKW Temelín selbst: Im bei dessen Planung herangezogenen Zeitraum seit 1592 gab es keine Ereignisse, wohl aber sei 1590 die Region durch ein Erdbeben in Österreich (Neulengbach) mitbetroffen gewesen, so die Experten.

Anschober: "Hochriskantes Projekt"

Anschober kündigt heftigen Widerstand aus Österreich an, man werde "alle politischen und rechtlichen Handlungsmöglichkeiten zu 100 Prozent ausschöpfen". Besonders alarmiert zeigt er sich ob der Entscheidungskriterien: "Bei einem so hochriskanten Projekt darf man nicht den Standort mit dem geringsten Widerstand suchen, sondern muss den fachlich am besten geeigneten finden." (APA, 16.8.2018)