In dem Projekt "Stitching Worlds" zeigte die Universität für angewandte Kunst, wie Kleidung und Elektronik miteinander verknüpft sein können.

Foto: Universität für angewandte Kunst / Elodie Grethen

Wie ein sprichwörtlicher roter Faden zieht sie sich durch die Geschichte der Menschheit: die Arbeit mit Textilien. Schon 6000 vor Christus gab es Handspindeln. Wer aber glaubt, dass Textilarbeit ein Relikt aus der Vergangenheit ist, irrt sich. Das alte Wissen nimmt großen Einfluss auf Prozesse, die scheinbar nichts mit Fäden, Spulen und Garn zu tun haben.

Eine Entwicklung, die zeigt, dass Textilarbeit ihren Weg in die Zukunft gefunden hat, ist die Herstellung von E-Textilien. Dabei geht es darum, elektronische Instrumente und Textilien zu verbinden.

Am Textile Competence Center Vorarlberg (kurz TCCV), ein über das Comet-Programm von Verkehrs- und Wirtschaftsministerium gefördertes Forschungszentrum für Textilchemie und -physik in Dornbirn, beschäftigt man sich genau damit. "In der Regel ist ein Textil von sich aus nicht leitfähig. Deswegen arbeiten wir mit Kupferfasern, die eingewoben werden", sagt Forscherin Barbara Paul.

Nässedetektion und Wärmeregulation

Anwendungen reichen von der Nässedetektion durch Bettdecken im Pflegebereich bis hin zu speziellen Strumpfhosen für Schlaganfallpatienten. Diese leiden oft an Unterkühlung, weswegen das TCCV versucht, Heizelemente in Stoffe einzubauen.

Außerdem könne man Textilien auch mit leitfähigem Material beschichten oder mit derartigen Pasten bedrucken, erzählt Paul. Während diese Anwendungen noch im Rahmen der Vorstellungskraft liegen, reagieren manche Leute verwundert auf andere E-Textilien. Zum Beispiel gibt es da "gestickte Batterien". Paul sagt dazu: "Für viele ist es unvorstellbar, dass das, was sie sehen, wirklich eine Batterie ist."

"E-Textilien" klingt nach futuristischen Projekten. Die Konzepte, die ihnen zugrunde liegen, sind sehr alt. "Textilien und Elektronik sehen wie zwei sehr getrennte Welten aus, aber sie haben viele Schnittstellen – auch historisch gesehen", sagt Ebru Kurbak. Sie ist Projektleiterin des kürzlich ausgelaufenen Forschungsprojekts "Stitching Worlds" an der Universität für angewandte Kunst Wien, das vom Wissenschaftsfonds FWF finanziert wurde.

Der Jacquardwebstuhl

Sie berichtet von einer der ersten programmierbaren Maschine, dem Jacquardwebstuhl, der 1805 entwickelt wurde und auf Basis von Lochkarten funktionierte. Fäden konnten so komplizierte Muster weben. Die Möglichkeit, durch den Wechsel der Karten auch einen Wechsel der Muster zu erzeugen, wurde später als wichtiges Vorgängermodell von Computer-Hardware und Programmen gesehen.

"Weben ist binär, es erinnert an Bits", merkt Kurbak an. Als die Nasa in den 1960er-Jahren erste Computer für ihre Apollo-Mission entwickelte, wurden Frauen angestellt, die den Code in einem sogenannten Core-Rope-Memory-Speicher einweben mussten. Sie benützten dünne Kupferfäden – wie sie heute in E-Textilien eingesetzt werden.

Bei "Stitching Worlds" geht es um die Erkundung solcher Verknüpfungen. Ein im Rahmen des Projekts entwickeltes Objekt, der "Embroidered Computer" von Ebru Kurbak und Irene Posch, ähnelt einem drei Meter langen Stoffstück, das auf einem großen Stickrahmen angebracht wurde.

Statt Kabeln verwendete das Team Goldfäden, statt standardisierten Magneten magnetische Perlen. "Wenn man Elektrizität durch unseren Computer schickt, dreht sich die magnetische Perle nach unten oder oben. So wird das Signal entlang der Stickereien weitergegeben und man kann sogar einfache Rechnungen durchführen", erklärt Kurbak.

Historische Signifikanz

Wieso scheint der Zusammenhang zwischen Textilien und Elektronik für viele so überraschend zu sein? "Wenn wir über Technologie sprechen, haben wir meist eine Option im Kopf, die wir für gegeben halten", sagt Kurbak, "Es hätte aber auch ganz anders aussehen können." Textilarbeit werde oft mit häuslicher Arbeit assoziiert, die historische Signifikanz oft übersehen.

Kurbak verweist auch auf die amerikanische Archäologin Elizabeth Barber, die sich mit dieser Marginalisierung befasste. Die Erfindung von Nadel und Faden könne laut ihr auf eine Ebene mit Steinwerkzeugen gestellt werden. In ihrem Werk "Women's Work" wertet sie die geschlechtsspezifische, frühmenschliche Arbeitsteilung auf und argumentiert, dass die Textilarbeit gleich wichtig wie das Jagen gewesen sei. Die Aufgaben wurden schlicht auf Männer und Frauen aufgeteilt.

Das inspirierte auch Kurbak: "Ich denke, es gab einen Punkt, an dem Textilarbeit ihren Wert als Technologie verloren hat. Statt als eine Innovation gesehen zu werden, wurde es plötzlich Teil eines selbstverständlichen Prozesses."

Bei der Betrachtung der verwobenen Vergangenheit und Zukunft von Textilien bleibt für sie eine Frage offen: "Wie wollen wir dieses Wissen und solche Fähigkeiten in Zukunft bewerten?" (Katharina Kropshofer, 19.8.2018)