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Statoil hat in den vergangenen Jahren rund 2,6 Milliarden Dollar in Erneuerbare Energien investiert. Großteils in den Aufbau von Offshore-Windparks wie diesem im britischen Great Yarmouth.

Foto: Reuters / Darren Staples

Vor kurzem veröffentlichte das Beratungsunternehmen Wood Mackenzie eine Zahl, die Unternehmen und Aktionäre aufhorchen ließ: 2036. Das ist das Jahr, in dem die Nachfrage nach Öl ihren Höhepunkt erreicht haben soll. Die Berechnung ist zwar umstritten – Einschätzungen weichen durchaus stark voneinander ab und reichen von 2023 bis 2070 -, doch ist sie für Ölunternehmen ein zentrales Element der Geschäftsplanung: Immerhin bestimmt sie, wie lange und wie viel sie in den Abbau investieren können, ohne dass sie ihre Investitionen in den Sand setzen.

Denn während lange Zeit die Angst bestanden hat, der Welt könnte das Öl ausgehen, ist die Frage nach immer neu entdeckten Reserven heute eine andere: Wie viel Öl und Kohle können verbrannt werden, bis es zu einer katastrophalen Klimaerwärmung kommt? Statt fossiler Energien sollen deshalb Wind- und Sonnenenergie in den Vordergrund rücken: Diese stellen laut Mackenzie derzeit nur rund ein Prozent der weltweiten Energie zur Verfügung. Allerdings sollen sie künftig um jährlich jeweils sechs und elf Prozent wachsen, bis sie 2035 einen Anteil von 25 Prozent am Energiemarkt haben könnten.

Umstellung unvermeidlich

Nicht zuletzt deshalb hält Wood Mackenzie eine Umstellung für unvermeidlich – auch für die Ölunternehmen. Unter diesen hat sich deshalb seit einigen Jahren ein neuer Begriff breitgemacht: Sie bezeichnen sich nicht mehr als reine Öl- und Gaserzeuger, sondern als sogenannte "Energiewende-Unternehmen", wie es der Shell-Chef Ben van Beurden kürzlich ausdrückte.

Auch er sah die Klimaerwärmung als größte Herausforderung für die Unternehmen, gleichzeitig macht sich in der Branche die Angst vor einer steigenden Verbreitung und Dominanz von E-Autos breit. Schon jetzt schrauben die Unternehmen Investitionen in Form von Megaprojekten wie Explorationen in der Arktis zurück.

Zusätzlichen Druck bekommen sie von Aktionären. 2015 stimmten die Aktionäre von BP, Shell und Statoil fast einstimmig dafür, dass die Konzerne die finanziellen Risiken, die mit der Klimaerwärmung einhergehen, offenlegen sollten. Und auch die Weltbank kündigte an, Öl- und Gasprojekte nach 2019 nicht mehr fördern zu wollen.

Doch was steckt hinter der Behauptung, sie seien "Energiewende-Unternehmen", und wie sollen aus Ölgiganten plötzlich umweltfreundliche Energieerzeuger werden?

Hohe Renditen mit Öl

Tatsächlich ist es vom Öl zu Erneuerbaren ein weiter Weg. Denn Ölunternehmen sind es gewohnt, in ihrem Geschäftsmodell hohe Rendite zu erzielen, während die Erträge bei Investitionen in Erneuerbare gering sind, heißt es in einem Bericht des Energieinstituts Oxford. Außerdem seien Erneuerbare nach wie vor von staatlichen Förderungen abhängig, die Ölunternehmen zu meiden versuchen, unter anderem deshalb, weil Förderungen von Ölunternehmen unpopulär seien.

Dass es allerdings auch beim Öl zu starken Gewinneinbrüchen kommen kann, zeigte sich 2014, als durch eine Überproduktion die Preise in den Keller wanderten. Zwar haben die Ölpreise seither wieder angezogen, Erneuerbare könnten den Unternehmen laut Experten aber trotzdem als langfristige und stabilere Einkommensquelle dienen.

Nicht zuletzt deshalb haben einige Ölunternehmen in den vergangenen Jahren versucht, ihr Portfolio mit Erneuerbaren zu erweitern. So hat Statoil in den letzten fünf bis sechs Jahren rund 2,6 Milliarden Dollar in Erneuerbare investiert, großteils in den Aufbau von Offshore-Windparks. Der französische Ölriese Total stellt jedes Jahr einen 500-Millionen-Euro-Topf zur Finanzierung von Erneuerbaren bereit. Und auch BP investierte kürzlich 200 Millionen Dollar in Europas größten Solarentwickler Lightsource.

Allerdings machen die Summen bisher eher Peanuts im Vergleich zum Gesamtbudget der Unternehmen aus. Shell investierte 2016 etwa 200 Millionen Dollar in erneuerbare Energien, die gesamten Investitionsausgaben des Konzerns liegen jedoch bei rund 80 Milliarden Dollar. Schätzungen gehen davon aus, dass die Ölgiganten weniger als ein Prozent der globalen Wind- und Sonnenenergie kontrollieren. Und nicht alle Unternehmen haben mit den Investitionen in Erneuerbare bisher gute Erfahrungen gemacht: BP schloss seine Abteilung für alternative Energien 2009, nachdem nicht die erwarteten Gewinne eingetreten waren, und stieg erst fünf Jahre später wieder langsam in den Markt ein. Die Investitionen von Exxon Mobile in Erneuerbare sind vergleichsweise gering und konzentrieren sich mehr auf die Finanzierung kleinerer Forschungsprojekte. Chevron gab bisher noch überhaupt keine Pläne für Investitionen in Erneuerbare bekannt. Und auch das heimische Ölunternehmen OMV hat bis auf kleinere Projekte wenig mit Erneuerbaren am Hut.

Einstieg durch Übernahmen

In der Praxis haben die Ölgiganten am ehesten mit Übernahmen versucht, einen Fuß in den Markt der Erneuerbaren zu bekommen. Total hat etwa Anfang des Jahres für 1,9 Milliarden Jahren Euro das auf erneuerbare Energien spezialisierte Energieunternehmen Direct Energie übernommen. Auch Shell übernahm im Dezember 2017 den britischen Stromanbieter First Utility, mit dem die Haushalte mit erneuerbarem Strom und Ladeeinrichtungen für E-Autos versorgt werden sollen.

Allerdings geht die Energieumstellung bei Ölunternehmen über die reine Frage nach Erneuerbaren hinaus, schreiben die Forscher des Oxforder Energieinstituts. Demnach könnte auch der Anteil an Gas in den Portfolios der Unternehmen steigen und zumindest bei Heizungen stärker zum Einsatz kommen.

Für die Ölunternehmen hängt am Ende viel davon ab, welche Klima- und Energiepolitik die Staaten und Regierungen verfolgen – sie müssen also in gewisser Weise auf den Klimaschutz "wetten". 2015 einigten sich die Staaten bei der Pariser Klimakonferenz auf das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, dürften die Öl- und Gasunternehmen ungefähr ein Drittel ihrer Investitionsausgaben bis 2025, das entspricht rund 2,3 Billionen Dollar, nicht in die Förderung investieren, errechnete die Denkfabrik Carbon Tracker.

Entwicklung kehrt sich um

Die Entwicklung scheint derzeit jedoch in eine andere Richtung zu gehen. Sowohl Exxon Mobile, Chevron als auch BP scheffelten im ersten Quartal dieses Jahres durch das Ölgeschäft Gewinne in Milliardenhöhe. Für BP schaute so viel heraus, dass man prompt rund neun Milliarden Euro in die Produktion von Schieferöl in den USA investierte. Die Bedingungen sind günstig: Präsident Donald Trump will die Vorschriften zum Schutz der Umwelt lockern, um die Bedingungen für die Ölförderung im Land zu verbessern.

Folglich erwartet die Internationale Energieagentur für heuer ein "explosionsartiges" Wachstum der US-Ölproduktion, was vor allem auf der stark steigenden Förderung von Schieferöl beruhen soll. Die Agentur geht davon aus, dass "die USA gut positioniert sind, um Saudi-Arabien und Russland als den weltweit führenden Energieproduzenten in den nächsten zwölf Monaten zu überholen". Ähnlich sieht das US-Energieministerium die Entwicklung, wonach die US-Ölproduktion heuer die Marke von elf Millionen Barrel pro Tag übersteigen soll. Im Vorjahr betrug die Erzeugung noch 9,3 Millionen Fass täglich. (Jakob Pallinger, 17.8.2018)