Bekannt ist Sardinien als Urlaubsziel. Nun entwickelt man in Salzburg die Technik für ein spezielles sardisches Währungssystem.

Foto: Imago / Imagebroker

Im Jahr 2009 lag die Wirtschaft Sardiniens auf dem Boden. Auf der italienischen Insel hatte die Finanzkrise mit voller Wucht zugeschlagen. Giuseppe Littera und seine Kollegen wollten den Wirtschaftstreibenden deshalb eine Gelegenheit geben, Geschäfte abseits von Banken, Schuld- und Zinsenfalle zu tätigen. Sie gründeten Sardex, ein Start-up, das im Rahmen einer Genossenschaft einen alternativen Wirtschaftsaustausch ermöglicht. Man sollte Geschäfte machen können, auch wenn man nicht liquide war.

Teilnehmer können sich für Leistungen in der alternativen Währung Sardex, deren Wert eins zu eins dem Euro entspricht, bezahlen lassen. Transaktionen werden auf ein Onlinekonto gebucht und können für Dienste und Waren anderer Sardex-Mitglieder wieder ausgegeben werden. Dabei werden keine Abgaben umgangen. Die Plattform soll vielmehr dazu dienen, brachliegende Wirtschaftskraft zu aktivieren.

Mittlerweile sind es tausende Klein- und Mittelbetriebe, die mitmachen. Man kann Sardex als groß angelegte Tauschbörse betrachten oder als spekulationsfreies Währungssystem, bei dem hinter jeder Transaktion eine tatsächliche Leistung steht. Weinbauern, Restaurants, Handwerker – Produzenten und Dienstleister aller Art tauschen Werte in diesem System aus, das auf gegenseitigem Kredit – "mutual credit" – basiert. Künftig soll das auch überregional, also über mehrere Plattformen hinweg, funktionieren.

Neue Infrastruktur

Technologisch ist Sardex bisher als konventionelles IT-System ausgelegt. Konten werden auf zentralen Servern verwaltet, auf denen die Transaktionen zusammenlaufen, die über Computer, Kreditkarten oder Smartphone-Apps getätigt werden.

Im Rahmen des Forschungsprojekts Interlace, das durch das EU-Förderprogramm Horizon 2020 unterstützt wird, soll eine grundlegend neue Systemarchitektur für Initiativen wie Sardex geschaffen werden, die sowohl eine überregionale Öffnung als auch eine verbesserte Anwendung des "Mutual credit"-Prinzips erlauben.

Thomas Heistracher und Kollegen vom Studiengang Informationstechnik und Systemmanagement der FH Salzburg arbeiten mit der London School of Economics, der Hertfordshire University und der Universität Passau an der Entwicklung.

Die technologischen Werkzeuge dafür sind Informatikern bekannt: Blockchains und sogenannte abstrakte Interaktionszustandsautomaten (ASIM). Während die dezentralen Datenbanken der Blockchains Transaktionen fälschungssicher protokollieren, können ASIMs die Austauschprozesse zwischen den Teilnehmern als Programme formal beschreiben und die Möglichkeiten eines jeden Geschäftsfalls umreißen.

Transparenz

"Unsere Aufgabe war, ein System zu entwerfen, das eine hundertprozentige Transparenz sicherstellt und so nachhaltig gestaltet ist, dass es sich an Nutzererfordernisse problemlos anpasst", erklärt Heistracher. Gerade die Kooperation verschiedener regionaler Blockchain-Systeme sei technologisch spannend: Möchte ein Bauer aus Sardinien ein Ersatzteil für seinen Traktor von einem Teilnehmer einer ähnlichen Genossenschaft in der Toskana, muss ein Werteaustausch über verschiedene Blockchains hinweg erfolgen können.

Die Gestaltung der Geschäftsfälle und die Regeln der Transaktionen sind als Smart Contracts organisiert – kleine Programme innerhalb des Blockchain-Systems, die Verträge abbilden. Das Besondere in diesem Fall ist, dass die jeweiligen Smart Contracts, die zur Anwendungen kommen, von den erwähnten ASIMs produziert werden.

In diesen Programmen sind alle Möglichkeiten eines Austauschprozesses vorgeprägt. Sie geben inklusive aller Eventualitäten vor, wie ein Friseurbesuch oder eine Autoreparatur abgerechnet werden kann. Sie begleiten den Geschäftsprozess, lassen den Nutzern Wahlfreiheiten und werden durch ihre Verwendung genauer. "Das Schöne dabei ist, dass alle Transaktionen völlig transparent sind", sagt Heistracher. "Wenn jemand Ladekapazität benötigt, und der Lkw eines Weinhändlers nicht ausgelastet ist, kann dieser sich in einen Geschäftsfall einbringen."

Soziale Anwendungen

Mit dem Projekt wird auch eine Anwendung der Blockchain-Technologie gezeigt, die sich fernab von den medial vorherrschenden Phänomenen befindet, wie sie Bitcoin-Kurshöhenflüge oder Initial Coin Offerings (ICO), eine Art virtueller Börsengang mithilfe von Kryptowährungen, darstellen.

"Blockchains wurden rasch in die Ecke der Währungsspekulation geschubst. Wir sind hier aber ganz am anderen Ende des Spektrums", betont Heistracher. Ein System, wie jenes das im Projekt entworfen wurde, könnte künftig beispielsweise auch freiwillige Sozialleistungen von der Altenpflege bis zum Nanny-Dienst austauschbar – und sichtbar – machen. (Alois Pumhösel, 18.8.2018)