Der Killifisch wird etwa zwei Zentimeter groß und kommt aus Südostafrika. In Wien scheint er sich derzeit sehr wohl zu fühlen.

Foto: Christian Schöfer

Fortgeschrittenes Alter macht sich nicht nur beim Menschen bemerkbar, sondern auch bei Tieren, und zwar im Großen und Ganzen auf die gleiche Weise: Sie nehmen weniger Nahrung zu sich, bewegen sich langsamer und bekommen häufiger Krebs. Von Hunden und Katzen ist uns das bekannt – dasselbe gilt aber auch für manche Tiere, die weit weniger nah mit uns verwandt sind: Der Killifisch oder Türkise Prachtgrundkärpfling, wissenschaftlich Nothobranchius furzeri, wird in der Rekordzeit von 14 Tagen geschlechtsreif, altert wie wir – er bekommt sogar runzlige Haut.

Im Gegensatz zu uns ist er aber extrem kurzlebig, und das macht ihn zu einem vielversprechenden Modellorganismus für die Alternsforschung. An der Medizinischen Universität Wien befasst sich eine Forschungsgruppe mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF mit den Alterungsprozessen im Darm der bunten Tiere.

Die etwa zwei Zentimeter großen Fische stammen aus Südostafrika und sind perfekt an einen sehr vergänglichen Lebensraum angepasst: Sie verbringen nämlich ihr ganzes kurzes Leben in Tümpeln, die nur während der Regenzeit bestehen. Zum Ablaichen wühlen sie den Boden auf und legen ihre Eier dort hinein. Fällt der Tümpel trocken, können die Eier in der feuchten Erde überdauern und die Jungen bei der nächsten Regenzeit schlüpfen.

In Wien werden die Fische in einer eigens errichteten Anlage an der Med-Uni gehalten, die von Oliver Pusch und Gordin Zupkovitz vom Zentrum für Anatomie und Zellbiologie etabliert wurde. Die Forschungsgruppe befasst sich unter der Leitung von Christian Schöfer mit den multipotenten Stammzellen im Darm der Tiere.

Keine Krypten im Darm

Bei Säugetieren weist die Darmschleimhaut Ausstülpungen auf, die sogenannten Zotten, und Einbuchtungen, die Krypten genannt werden. Wie man vor allem aus Untersuchungen an Mäusen weiß, sitzen an der Basis der Krypten multipotente Stammzellen, die sich ständig teilen und alle Zellen erzeugen, die den Darm auskleiden.

Diese Zellen sind äußerst kurzlebig und müssen fortlaufend erneuert werden, wenn der Darm reibungslos funktionieren soll. Anders die Darmschleimhaut des Killifisches: Wie Schöfers Gruppe bei Vorarbeiten bereits herausgefunden hat, weist sie zwar Falten und Furchen auf, Zotten und Krypten fehlen dagegen vollkommen.

Die Forscher wollen nun den detaillierten Aufbau des Darmes von N. furzeri untersuchen und in der Folge alle Zelltypen identifizieren, die darin auftreten. Dafür arbeiten sie sowohl mit Dünnschnitten und Elektronenmikroskopie als auch mit molekularbiologischen Methoden.

Das besondere Augenmerk der Wissenschafter gilt dabei der Frage, wo es im Darm des Fisches multipotente Stammzellen gibt und wie sich deren Aktivität im Zuge des Älterwerdens verändert. Zu diesem Zweck wollen sie den Fischen in verschiedenen Altersstufen markierte Moleküle füttern und analysieren, wie diese in die Stammzellen des Darms eingebaut werden.

Sind die Stammzellen einmal gefunden, haben die Wiener Forscher vor, daraus Organoide zu züchten: Das sind wenige Millimeter große, organähnliche Strukturen, anhand derer bestimmte Forschungsfragen einfacher zu untersuchen sind als am ganzen Tier. Die Methode ist noch sehr jung – bei Fischen ist sie bisher überhaupt noch nie angewandt worden.

Vermehrung der Stammzellen

Die Idee ist in diesem Fall, Organoide aus Darmzellen in verschiedenen Altersstadien der Fische zu erzeugen und deren jeweilige Funktionalität zu untersuchen. "Die Frage ist, ob die Vermehrungsfähigkeit der Darmstammzellen im Lauf der Zeit nachlässt", erklärt Schöfer.

Entsprechende Phänomene könnten auch in anderen Organsystemen stattfinden und in Summe für den Alterungsprozess auch von anderen Wirbeltieren verantwortlich sein.

Die Wiener Killifische eignen sich besonders gut für diese Forschung, weil ihre Lebensdauer selbst innerhalb ihrer Art extrem gering ist: Sie beträgt maximal zwölf Wochen, was sie zum Wirbeltiermodell mit der bisher kürzesten bekannten Lebensspanne macht.

Der Vorteil dabei: Bei so kurzen Lebenszyklen können innerhalb weniger Jahre die natürlichen Folgen des Alterns an hunderten Tieren beobachtet werden. Die Wiener Fische sind diesbezüglich so einheitlich, weil sie allesamt Nachfahren von Tieren sind, die in den 1960er-Jahren aus einem einzigen Tümpel in Mosambik gesammelt wurden.

Die Killifische fühlen sich in Wien übrigens sehr wohl: "Sie mögen offenbar das Wiener Wasser", freut sich Schöfer. Ihr Befinden ist nicht nur eine Frage des Tierwohls: Die Region, aus der sie stammen, ist heute vermint, sodass es keinen Nachschub mehr von dort geben kann. (Susanne Strnadl, 19.8.2018)