Tragische Dreiecksgeschichte in reduzierter Ausstattung: die Kammeroper "Das Jagdgewehr" bei den Bregenzer Festspielen.


Foto: Bregenzer Festspiele / Anja Köhler

Bregenz – Das dramaturgische Gefüge ist raffiniert: Mehrere Stimmen singen ein Gedicht über einen Jäger, vor allem über sein glänzendes Gewehr, mit dem er "gemächlich, ruhig und kalt" durch die eisige Winterlandschaft geht. Dann wechselt der Blick – ganz in der Tradition japanischer Dichtkunst – vom Außen ins Innen. Der Text beschreibt die Reaktionen des lyrischen Ichs auf das Erlebte, seine eigene Sehnsucht und Bewegtheit.

Verschachtelte Rückblenden

Mit diesem Schwenk tritt in Thomas Larchers Kammeroper Das Jagdgewehr nach der gleichnamigen Novelle von Yasushi Inoue der Dichter selbst auf die Bühne. Nach und nach entfaltet sich das Geschehen in ineinander verschachtelten Rückblenden. Larchers Stück wurde als Auftragswerk der Bregenzer Festspiele am Mittwoch auf der Werkstattbühne uraufgeführt.

Der Jäger, der das Gedicht schwer getroffen in die Hände bekam, schreibt an den Dichter (eindringlich und expressiv: Robin Tritschler). Er präsentiert seinerseits drei Briefe von drei Frauen, aus denen das Drama der vorangegangenen 13 Jahre rekonstruiert wird.

Erzählt wird eine tragische Dreiecksgeschichte, die die Beteiligten aus jeweils eigener Perspektive durchleiden: der Jäger Josuke Misugi (mit viraler Wucht: Andrè Schuen), seine betrogene Gattin Midori (wehmütig und mitunter verhalten: Giulia Peri), die Geliebte Saiko (warm strömend bis zur Verzweiflung: Olivia Vermeulen) und deren Tochter Shoko (mit abenteuerlichen, exaltierten Wendungen in höchster Lage: Sarah Aristidou).

Librettistin Friederike Gösweiner hat diese Ebenen klug für eine musikdramatische Umsetzung aufbereitet. Komponist Thomas Larcher hat für seinen Opernerstling eine Partitur geschaffen, die sein kompositorisches Mäandern der letzten beiden Jahrzehnte erstaunlich stringent zusammenfasst.

Idyllische Schmerzensmusik

Da gibt es kalte Geräuschfetzen, vitale Pulsationen, irisierende Harmonien und natürlich auch eine Reihe tonaler Einschlüsse, vor denen sich der 1963 geborene Innsbrucker noch nie gescheut hat. Größte Einfachheit fließt mit komplexeren Klangbildern zusammen, in die auch die Gesangsparts flüssig eingebettet sind. Wenn sie nicht gerade die eine oder andere Wortwiederholung ausführen, die für das Verständnis der emotionalen Wallungen gar nicht unbedingt notwendig erschienen.

Eine gewisse Naivität ist dieser idyllischen Schmerzensmusik freilich nicht abzusprechen. Anders gesagt: Sie vertraut einfach darauf, dass Oper in einer selbstverständlichen Weise möglich ist, während andere Zeitgenossen schon mit Recht an ihren Grundbedingungen zweifeln oder verzweifeln.

Dennoch oder gerade deswegen ist es ein Stück, das auf der Bühne auf Anhieb funktioniert. Dies ist zu einem guten Teil auch der umsichtigen, präzisen, fließenden Umsetzung durch Dirigent Michael Boder und das Ensemble Modern zu verdanken. Fast uneingeschränkt flüssig funktioniert auch die Inszenierung von Karl Markovics in der sparsamen Ausstattung Katharina Wöppermanns, die einen Innenraum, eine Brücke und ein Schiffchen assoziativ aus dem Papier der Briefe entwickelt hat.

Präzision und Langsamkeit

Dass die Novelle von Inoue 1949 entstand und Kriegsgeschehnisse mitthematisiert, ist nur zwischen den Zeilen zu erfahren. Stattdessen konzentriert sich die Regie ganz auf die Personen und arbeitet so reduziert, dass sie als gestaltende Hand fast nicht zu bemerken ist. Nur da und dort verraten eine Geste oder ein Blick die präzise Arbeit inmitten melancholischer Langsamkeit. (Daniel Ender, 16.8.2018)