Bei der Zulassung scheuen die Autobauer keine Mühe, um den Spritverbrauch kleinzurechnen. Tropfen für Tropfen wird auf dem Papier eingespart.

Foto: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Was bei der Anschaffung von Industrieanlagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln als denkunmöglich gilt, ist bei Personenkraftwagen ganz normal: Autokäufer und -besitzer wissen nicht, wie hoch die Lebenshaltungskosten ihrer Fahrzeuge über den Lebenszyklus annähernd sein werden. Den Treibstoffverbrauch ihres Fortbewegungsmittels können sie nicht einmal theoretisch berechnen, weil die diesbezüglichen Herstellerangaben extrem unzuverlässig sind.

Das liegt insbesondere daran, dass der reale Spritverbrauch von Autos stark von den Herstellerangaben abweicht – um 20 bis 40 Prozent, wie eine Untersuchung des Umweltbundesamts im Auftrag der Arbeiterkammer Wien ergab. Ein Skoda Octavia etwa verbraucht laut Prospekt 4,8 Liter Benzin auf 100 Kilometer, tatsächlich schluckt das beliebte Familienauto an die 6,7 Liter. Pro Jahr summieren sich die geschätzten Mehrkosten auf rund 310 Euro pro Jahr, rechnete AK-Klimaexperte Franz Greil hoch. Wer seinen Wagen zwölf Jahre lang fährt, zahlt geschätzte 3.710 Euro mehr an Spritkosten.

Bei einem Opel Corsa betragen die Mehrkosten gar 366 Euro pro Jahr. Würde man damit 15 Jahre fahren, beliefen sie sich auf 5.490 Euro, also den halben Kaufpreis für einen neuen Kleinwagen.

Verbrauch am Prüfstand ermittelt

Die große Differenz zwischen angegebenem und tatsächlichem Spritverbrauch ergibt sich aus dem Umstand, dass der Verbrauchswert auf Basis des auf dem Rollenprüfstand ermittelten CO2-Ausstoßes errechnet wird. Dieser ermöglicht wohl Vergleichbarkeit zwischen den Herstellern, ist allerdings aufgrund zahlreicher Sondermaßnahmen und einem ganz speziellen Fahrverhalten wenig realitätsnah.

Ermittelt wird der Treibstoffverbrauch im Zuge der Typgenehmigung – allerdings nicht volumetrisch in Litern, sondern mithilfe der Kohlenstoffbilanzmethode errechnet. Dabei wird anhand des Gewichts der in den Abgasen enthaltenen kohlenstoffhaltigen Bestandteile Kohlendioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC) der Verbrauch hochgerechnet, weil dies einfacher und billiger ist als die sonst notwendigen speziellen Messungen. Zusätzlich gedrückt wurden die CO2-Angaben und mit ihnen die Verbrauchswerte durch die Vier-Prozent-Toleranzklausel. Der Hersteller konnte den gemessenen CO2-Typgenehmigungswert pauschal um vier Prozent reduzieren, weil der TÜV erst eine Überschreitung um mehr als vier Prozent an die Zulassungsbehörde meldete. Wich der vom Hersteller gemessene Wert bei der technischen Überprüfung nicht mehr als vier Prozent vom Ergebnis ab, war die Herstellerangabe genehmigt.

Legale Schlupflöcher

Die tendenziell viel zu niedrigen Verbrauchsangaben in dem mit September auslaufenden Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) resultieren aus zahlreichen legalen Schlupflöchern und Tricks, mit denen die Messungen im ohnehin künstlichen NEFZ-Labor auf dem Rollenprüfstand "optimiert", also gesenkt, werden konnten:

· Fahrwiderstände: Diese wurden geringer eingestellt, als es dem Fahrwiderstand entspricht. Das drosselte den Spritverbrauch auf dem Papier, weil bei der Prüfung nicht die dem Kfz-Gewicht entsprechende höhere Schwungmassenklasse angewendet wurde, sondern nur der Mittelwert, was niedrigere Verbrauchsangaben ermöglichte.

· Leichtlauföle: Bei der Zertifizierung wurden Leichtlauföle mit extrem hohen Schmiereigenschaften verwendet, die in der Serie dann nicht mehr vorkamen.

· Leichtlaufreifen: Beim Test auf der Rolle wurde der Rollwiderstand minimiert, indem Leichtlaufreifen mit stark erhöhtem Druck zum Einsatz kamen. Auf der Straße wäre dieser Reifendruck gefährlich, weil er den Bremsweg stark verlängert. Die Bremsbeläge waren in den Bremssattel zurückgedrückt, um Reibung auf Kosten des Verbrauchs zu vermeiden.

· Luftwiderstand wurde minimiert, indem Spalten in der Karosserie abgeklebt waren.

· Energieverbrauch: Elektrische Verbraucher wie Klima, Heizung, Lüftung und Audio blieben während der Prüfung abgeschaltet, was im richtigen Leben nie vorkommt.

Durch den ab September geltenden neuen WLTP/WLTC-Testzyklus wird es nicht wesentlich besser, warnt das Umweltbundesamt. Schlupflöcher werden wohl kleiner, bleiben aber. So gibt es zwar keinen fixen Schaltplan mehr, aber es werden fahrzeugspezifische, leistungsabhängige Gangwechsel berechnet, wie sie im realen Fahrbetrieb kaum vorkommen. Auch fahrzeugspezifische Reifen kommen zum Einsatz. Ob diese dann im wirklichen Leben verfügbar sind, steht allerdings in den Sternen.

Das größte Manko bleibe aber auch im neuen Testregime erhalten, kritisiert AK-Verkehrsexperte Greil: Es gibt weder Veröffentlichungspflichten für reale Verbrauchswerte noch Genauigkeitsvorschriften für die vom Bordcomputer ausgewiesenen On-Board-Angaben. Über die Umweltbelastungen eines Neuwagens erfährt der Käufer wenig, über den tatsächlichen Stickstoffoxid-Ausstoß muss gar nicht informiert werden. Für den viel größeren Gebrauchtwagensektor gibt es gar keine Verpflichtung zu Verbraucherinformation. (Luise Ungerboeck, 17.8.2018)